Lehrer*innenalltag
Es ist Dienstag früh. Um 07:40 Uhr betrete ich die NMS. „Guten Morgen, guten Morgen, guten Morgen…“ summt es von allen Seiten. Die Schüler*innen warten darauf ins Schulgebäude zu dürfen. Mit einem Lächeln begrüße ich sie und husche noch schnell bei der Türe rein, bevor das große Drängeln um 07:45 auf den Stiegen beginnt.
Im Lehrer*innenzimmer angekommen begebe ich mich zu meinem kleinen Tisch auf dem sich Mappen und Bücher türmen. „Heute muss ich noch meine Adressenänderung auf unserem Lehrerportal Wision bekannt geben“, denke ich mir. Dafür ist aber jetzt keine Zeit. Schnell noch einen Kaffee in mein Häferl und alle Schulunterlagen für die nächsten fünf Stunden vorbereiten. Erste Stunde Englisch, zweite Stunde Berufsorientierung, dann Informatik, vierte Stunde Deutsch, zuletzt noch Biologie. Dann habe ich eine Stunde frei – ach nein, doch nicht. Heute haben wir Teamsitzung. Und in der siebten und achten Stunde habe ich Turnen und Lernstunde. Fein. Schnell noch mehr Kaffee. Halt, ein Schüler wartet vor dem Lehrer*innenzimmer und möchte eine Schulbesuchsbestätigung. „In fünf Minuten läutet es zur ersten Stunde. Ich kann dir das am Nachmittag ausdrucken und morgen geben“, lautet meine Antwort. „Nein, ich brauche das noch heute fürs Finanzamt. Meine Mutter hat gesagt, es ist dringend“, protestiert der Schüler. „Ich kümmere mich später darum. Gehe jetzt bitte rauf. Der Unterricht beginnt gleich.“
Erste Stunde Englisch, 3. Klasse: Klasse begrüßen, Klasse beruhigen, Englisch Hefte und Bücher liegen von drei Schüler*innen nicht am Tisch. „Ich hab’s zu Hause vergessen.“ „Ich finde meins nicht.“ „Mein Bruder hat unabsichtlich meine Schultasche mitgenommen.“ Hausübungen überprüfen: Nur die Hälfte der Schüler*innen hat sie ordentlich und pünktlich abgegeben. Genug Zeit verschwendet damit! Let’s move on! A new chapter: The 10 most dangerous animals. Die Schüler*innen sind begeistert. Zum Glück! Ein Ratespiel, ein bisschen Text. Die meisten passen auf. Schüler A. ruft raus. „Please raise your hand!“ Schüler B. ruft raus. „Was habe ich gerade gesagt?“ Schüler B.: „Aber Schüler A. hat auch rausgerufen!“ Kurz vor Stundenschluss noch die Hausübung an die Tafel. Wie konnte nur die Zeit so schnell vergehen? Wieder nicht alles geschafft. Es läutet. Ich habe fünf Minuten Zeit um ins Lehrer*innenzimmer zu laufen und meine Unterlagen und Englischhefte abzulegen und meine Beruforientierungsmaterialien mitzunehmen. Zum Glück habe ich mir schon alles bereitgelegt. Eine Schülerin fängt mich am Weg runter ab. „Frau Lehrerin, ich möchte meinen Sitzplatz ändern. Schüler C. nervt mich andauernd und ich kann mich nicht konzentrieren.“ „Ja, okay. Wir können gerne mal in Ruhe darüber reden. Jetzt bin ich gerade unterwegs und in ein paar Minuten beginnt die nächste Stunde.“
Zweite Stunde Berufsorientierung, andere 3. Klasse: Ich betrete die Klasse. Die Schüler*innen klatschen. Was ist los? „Wir freuen uns, dass Sie hier sind“, antworten die Kinder. Wie schön. Das gibt wirklich viel Kraft. Okay, legen wir los. Ich begrüße sie, muss sie zur Ruhe bringen. Alle sind komplett überdreht. Sie nehmen Platz. Sieben Schüler*innen haben ihre Unterrichtsmaterialien im Spint vergessen. „Warum vergesst ihr eure Mappen, wenn ihr euch so auf mich freut?“ „Frau Lehrerin, ich muss aufs Klo.“ Es war doch gerade Pause. „Darf ich jetzt oder nicht?“ Schülerin D. geht aufs Klo. Thema der Stunde: Zielbewusst rückwärtsplanen. Welche Ziele habt ihr? Wie kommt ihr dahin? Was braucht’s noch? Welchen ersten Schritt machst du? Manche Schüler*innen sind komplett überfordert. Zwei Schülerinnen sprechen kaum Deutsch. Verdammt, für die zwei hätte ich etwas eigenes vorbereiten müssen. Ich dachte, sie wären um diese Zeit im Deutschkurs. Wo ist eigentlich mein Kaffee?
Die Autorin ist Lehrerin an einer NMS in Wien.
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