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Zwischen Studentin und Lehrkraft – wie bin ich wann?

Ich denke jede:r Lehramt-Student:in hat zu Beginn des Studiums ein eigenes Bild von sich als Lehrkraft vor Augen. Man möchte später die eine Lehrperson sein, die alle Schüler:innen mögen, die lehrreiche Stunden mit lustigen und aufregenden verbinden kann und die die Klassen dazu motiviert, immer wieder über sich selbst hinaus zu wachsen. Doch spätestens nach den ersten Praxis-Erfahrungen wird einem klar, dass dieses lockere Lehrer:in-Dasein doch nicht so schnell und einfach geht, wie man sich das anfangs vorgestellt hat. 

Im Laufe des Studiums lernt man unzählige Wege kennen, die einem ans Ziel bringen. Wie dieses Ziel genau aussieht, hängt von der jeweiligen Problemstellung ab. Nur fällt einem sehr schnell auf, zumindest war das bei mir der Fall, dass nicht jeder Weg der beste für einen ist. Wie so oft im Leben geht es darum, herauszufinden, wo seine Grenzen liegen, wie weit man diese vielleicht auch verschieben sollte und welche Bedingungen für einen selbst bestehen müssen, um so agieren zu können, wie man es sich von sich selbst erwartet. Was will ich also damit sagen? Im Studium muss und soll es auch darum gehen, herauszufinden, wie das eigene Lehrerbild von sich selbst aussieht. Und zwar nicht die Person, die man sich vorstellt, wenn man aus Schüler:innen-Sicht eine „coole Lehrperson“ beschreiben müsste. Sondern es geht um die eigene Person. Die, die weiß, welche Bedingungen in der Klasse herrschen müssen, um die Ziele, die es natürlich auch noch zu definieren gilt, zu erreichen. Man muss versuchen, die Sichtweise zu ändern. Weg von der Schüler:innen-Sicht hin zur Lehrer:innen-Sicht und der Zukunft, in der man trotz gesetzten Grenzen und Regeln, noch die Lehrperson sein will, an die Schüler:innen nach der Schulzeit ohne Bauchschmerzen und Traumata zurückdenken. Mal davon abgesehen, dass ich sowieso der Meinung bin, erst diese Lehrkraft sein zu können, wenn eben das eigene Bild von einem Selbst definiert und gefestigt ist. 

Ein konkretes Beispiel: Eine meiner allerliebsten Lehrer:innen war meine ehemalige Mathematiklehrerin in der Oberstufe. Jap, Mathe. Definitiv nicht mein Lieblingsfach und auch sicher keine unentdeckte Stärke von mir. Sieht man aber von den Fächerinhalten ab, kann ich viel Gutes über den Unterricht berichten. Denn im Gegensatz zu anderen Fächern, in denen ich zwar sehr liebenswerte, aber manchmal zu chaotische Lehrkräfte hatte, schaue ich heute auf einen nicht nur sehr harmonischen und lustigen Mathe-Unterricht zurück, sondern auch auf sehr strukturierte und fokussierte Unterrichtseinheiten. Meiner Meinung nach konnte dieser stimmige, lustige, irgendwo vielleicht auch lockere Unterricht aber nur dann bestehen, wenn gleichermaßen Regeln eingehalten und das Ziel im Auge behalten wurde. Was das Ziel war, welche Regeln in der Klasse herrschen sollten und wo die Grenzen waren, legte hierbei die Lehrperson fest. All diese Dinge hatte meine ehemalige Lehrerin zuvor für sich definiert, für sich Ziele festgesteckt und auch Anforderungen an uns gestellt. Diese Umstände waren sowohl ihr als auch uns klar. Und solange all diese Dinge eingehalten wurden und funktioniert haben, konnte der geplante Unterricht auch manchmal etwas abweichen, und das Lernerlebnis wurde nicht nur schöner, sondern auch viel persönlicher und entspannter. So war Mathe zwar nie mein Lieblingsfach, die Mathe-Matura hingegen aber eine der Prüfungen, für die ich am besten vorbereitet war. Und das ist nicht nur meiner natürlich sehr stark vorhandenen Lernmotivation zu verdanken. ;) Sondern auch meiner ehemaligen Mathe – Lehrerin. 

Was ich damit andeuten will, ist Folgendes: Viele Faktoren nehmen darauf Einfluss, ob ein Unterricht gut oder weniger gut ist. Und zu wissen, wer und wie man als Lehrperson ist, ist einer davon. Neben den ganzen fächerspezifischen und pädagogischen Inhalten im Studium gilt es für Lehramt-Student:innen also auch eins: Sich selbst weit ein Stück weiter kennen zu lernen. Zu definieren, wer man wann sein möchte und zu lernen, sich auch als Lehrkraft akzeptieren zu können. Denn um später einen Unterricht abhalten zu können, der schüler:innenorientiert, unterhaltsam und persönlich ist, ist es wichtig, den eigenen Erwartungshorizont festzulegen und zu wissen, welche Bedingungen herrschen sollen, um auch von sich als Lehrperson das Beste rausholen zu können. Denn ist man sich im eigenen Auftreten und Können sicher, kann man genau dieses Vertrauen in sich selbst auch an die Schüler:innen weiter geben. Schließlich sind auch wir später einmal Vorbilder für unsere Klassen. Und mal ehrlich, wir wollen doch alle einmal, dass unsere Schüler:innen positiv über uns denken. 

Anna Lemmerer ist Autorin bei Schulgschichtn und Lehramtsstudentin im dritten Semester.

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Österreich, das Land der Halbtags-Bildung

Während es in Großbritannien oder Frankreich selbstverständlich ist, dass Kinder und Jugendliche bis mindestens 15 Uhr 30 in der Schule sind, ist in Österreich der Ausbau des Angebots an Ganztagsschulen ein ambitionierter Plan, der nur schleppend umgesetzt wird. Bewusst wird das zuallererst jenen Erziehungsberechtigten, deren Kinder am Beginn ihrer Schullaufbahn stehen. War es bis dahin im Kindergarten selbstverständlich, dass es Mittagessen und eine Nachmittagsbetreuung gibt und zwar unabhängig davon, ob nun die Eltern erwerbstätig sind oder nicht. Mit dem Eintritt in die Schule ist plötzlich alles anders. Plätze in einer Ganztagsschule sind schnell vergeben. Die zweite Alternative, ein Hortplatz, muss erst mal gefunden werden, denn auch diese sind heiß begehrt. Was bleibt, wenn das alles nicht klappt? Großeltern, die schon in Pension sind, kümmern sich um das Kind. Oder Eltern, vornehmlich die Mütter, reduzieren die Anzahl an wöchentlichen Arbeitsstunden. Zusätzlich bleibt auch die Hoffnung, dass es zu einem späteren Zeitpunkt einen Platz in der Nachmittagsbetreuung gibt.

Vorschrift ist Vorschrift

Es ist montags Mittag, viele Schüler und Schülerinnen verbringen ihre Mittagspause vor der Schule. Die vier Bänke vor der Schule sind trotz strömenden Regen mehr als überbelegt. Eine Gruppe von zehn Mädchen und Jungen spielt fangen. Sie überqueren die zum Glück nicht stark befahrene Straße, ohne zu schauen, verstecken sich hinter parkenden Autos. Nichts für schwache Nerven, denke ich mir.

Im Eingang des Hauses, das gegenüber der Schule liegt, stehen andere dicht gedrängt, um sich vor dem Regen zu schützen. Bei den älteren Schülern und Schülerinnen ist es schon vorgekommen, dass sich diese zum Rauchen in das Haus zurückgezogen haben. 

„Frau L. das nervt! Ich kann nicht einmal meine Nudeln in Ruhe essen, selbst die werden nass!“, beschwert sich Zeynep. Und während ich über die Lösung des einen Problems nachdenke, zupft mich Irem am Jackenärmel und flüstert: „Können Sie mir zwei Euro borgen? Ich hab mein Geld zuhause vergessen und bis 17Uhr20 Schule.“

Ich schütze die Nudeln mit meinem Regenschirm, nachdem ich Irem das Geld in die Hand drücke. „Ich küss ihr Herz!“, ruft sie und sprintet zum Supermarkt. 

Das Schultor geht auf. Die ersten geben auf und setzen sich im Windfang auf die Stiegen. Allerdings haben sie ein Detail vergessen, die Schulwartin.

„Alle raus!“, befiehlt sie und wachelt mit den Händen. Meinen Einwand, dass es wirklich richtig ungemütlich draußen ist, kommentiert sie mit: „Dann sollen´s nach Hause gehen.“

Grundsatzdiskussionen an dieser Stelle sind sinnlos, weil Vorschrift nun mal Vorschrift ist. Diese besagt, dass zwischen Vormittags-und Nachmittagsunterricht das Betreten des Schulgebäudes untersagt ist. Am Weg zur Straßenbahn sehe ich vier Mädchen und einen Jungen in die Bipa-Filiale verschwinden. In einer halben Stunde werden sie frisch parfümiert und geschminkt in der Klasse sitzen.

„Was macht ihr da drinnen?“, frage ich

„Uns ist eben langweilig und da drinnen ist es trocken“, erklärt mir Mustafa. Die Angestellte rollt mit den Augen, als sie die vier verlorenen Kinder erblickt.

Aber ehrlich, ich verstehe meine Schüler/innen. Vermutlich hätte ich als 14jährige sechzig Minuten ähnlich verbracht.

Nachhause gehen?

Die Idee der Schulwartin ist gut gemeint, aber in den meisten Fällen keine Option. Die Mittagspause dauert zumeist 60 Minuten. Nur wenige wohnen so nahe, dass eine Pause zuhause möglich ist. 

Manche Kolleg/innen bieten eine Mittagsaufsicht an. Gerade in der Stufe fünf und sechs wird dieses Angebot ganz gerne wahrgenommen. Aber das setzt voraus, dass die Schüler/innen von daheim gut mit Essen versorgt wurden, weil es sich nur um eine Aufsicht handelt. Für die Kolleg/innen bedeutet das, dass diese Betreuungsform gesondert abgerechnet werden muss und in den meisten Fällen auch den Verzicht auf die eigene Mittagspause. Verpflichtet kann niemand dazu werden. Es ist mehr so etwas wie eine Herzensangelegenheit. Denn wer sieht Kindern und Jugendlichen schon gerne beim Frieren vor dem Schulgebäude zu. Es sind aber auch jene Kolleg/innen zu verstehen, die nicht durchgehend von acht Uhr bis mindestens 15 Uhr 40 unterrichten wollen.

Der Nachmittagsunterricht

Die Schule, über die ich erzählt habe, ist eine Halbtagsschule, Nachmittagsunterricht meistens ab der Stufe sechs gibt es dennoch. Ab der dritten Klasse Mittelschule haben die meisten zwei Nachmittage, manche sogar drei, weil dann noch die Unverbindlichen Übungen und der Religionsunterricht dazukommen.

Unterrichtet wird in den meisten Fällen Kunst, Design, Bewegung und Sport und manchmal auch Musik oder Digitale Kompetenzen.

Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass das ja alles keine besonders wichtigen Unterrichtsfächer sind. Die werden auf den Nachmittag geschoben, weil es allem Anschein egal ist, dass die Schüler/innen hungrig, müde, manchmal nass und durchgefroren. Aber das ist eine andere Baustelle. Dazu kommt noch, dass Lernen und das Erledigen von Hausaufgaben ausschließlich auf die Erziehungsberechtigten abgewälzt werden. In Schichten, wo diese nicht unterstützen können, sind die Schüler/innen auf sich allein gestellt. Was bleibt sind Kinder und Jugendliche, denen mit einer ganztägigen Schulform mehr als geholfen wäre.

Warum immer noch halbtags?

Meine Schule ist kein Einzelfall, das ist mir klar. Das Problem der Mittagspause haben österreichweit ziemlich viele Familien. Mütter, die sich ausschließlich um die Kinder kümmern gibt es kaum mehr. Und selbst wenn das der Fall wäre, bietet eine Ganztagsschule viel mehr als die bloße Versorgung bis zum Beginn des Nachmittagsunterrichts. Was bei dem schleppenden Vorankommen des Ausbaus der Ganztagsschule die größte Rolle spielt, ist ein konservatives Weltbild. Die Mutter schupft Haushalt und Kinder, der Vater geht arbeiten. Immer noch und das im Jahr 2023.

Die Ästhetik der Ganztagsschule

Morgens um 07:30 Uhr. Fünf Lehrkräfte sitzen schon im Teamraum, trinken Kaffee und besprechen den bevorstehenden Tag. Einen langen Tag – einige von uns bleiben bis 16:30 Uhr, eine sogar bis 17:25 – wir sind eine verschränkte Ganztagsschule, was bedeutet, dass jedes Kind garantiert bis 16:30 Uhr betreut wird. 

Mittags gibt es gratis Essen. Immer schweinefleischfrei, oft vegetarisch. 

Logistisch ist all dies ein großer Aufwand – für Chancengerechtigkeit ist es uns das aber allemal wert. 

Was längere Anwesenheitszeit mit Chancengleichheit zu tun hat? Alle Kinder haben die gleiche Lernzeit. Wir bieten täglich eine Lernstunde und eine Betreuungsstunde an. In der Lernzeit werden gemeinsam die Hausübungen erledigt. Unter Aufsicht einer professionellen Lehrkraft. In der Betreuungszeit gehen wir Fußball spielen. Oder wir machen eine Schneeballschlacht. Oder wir spielen Werwolf. Manchmal ziehen sich die Kinder zurück und lesen oder spielen Schach. Die Räumlichkeiten erlauben dies. 

Draußen gibt es einen großen Schulhof. Mit Hochbeeten, Spielplatz, Sportkäfigen. Dachterrassen ermöglichen das kurze „Lüften“ der Kinder zwischen den Stunden. Diejenigen, die bis 17:25 Uhr bleiben, sehen vom Klassenzimmer aus die Sonne untergehen. Im Dunklen kommen sie an, im Dunklen gehen sie heim. Ob sie erschöpft sind? Selten. Ob sie lieber zuhause wären? Kaum. Hier sind ihre Freunde, eine kindgerechte Umgebung, ihnen meist wohlgesonnene Lehrkräfte. Hier findet Beziehungsbildung statt. Wir sehen unsere Kinder nicht vier oder sechs sondern bis zu 10 Stunden täglich.

Warum? 

Warum wir das tun, wenn unsere Kolleg:innen oft schon um 13:00 Uhr zuhause sind? Weil wir daran glauben. Weil wir es als die Zukunft erachten. Alle Kinder haben einen Arbeitsplatz, Raum, um in Ruhe zu arbeiten. Und alle können jemanden fragen, der oder die sich auskennt. Dadurch haben fast immer alle Kinder die Hausübungen. Dadurch finden oft themenbezogenen Gespräche statt, die die Unterrichtsinhalte nicht selten aufgreifen. Dadurch wird der Schulalltag, der früher, als ich noch an einer Halbtagsschule tätig war, oft einem Marathonlauf glich, zu einem Ausdauerspaziergang. 

Zwei Stunden Unterricht, eine Freistunde. Drei Stunden Unterricht, zwei Freistunden. Eine Stunde Unterricht. 

Hefte nehme ich nie mehr mit nach Hause. Schularbeiten werden in der Schule vorbereitet und mit anwesenden Kolleg:innen besprochen. Vorfälle werden sofort geklärt, weil ich ja eh da bin und dann auch kurz ein Kind mit Nasenbluten betreuen kann bis die Mama kommt. Mal eben zuhause anrufen kann und mit den Eltern sprechen, weil ich eh in der Schule bin. In Ruhe ein warmes Essen genießen und die Türe schließen, wenn ich eine Pause brauche.

Ja, meine persönliche Freizeit  ist weniger geworden. An der Halbtagsschule konnte ich mir die Arbeitszeit flexibler einteilen. Das ist vor allem für Eltern wichtig, deren Kinder Halbtagsschulen besuchen. Aber  wenn es nur noch Ganztagsschulen gäbe…

Die Autorinnen sind Lehrerinnen an unterschiedlichen Wiener Mittelschulen.

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Zu Beginn des Schuljahres wurde erneut eine beträchtliche Kritik hinsichtlich des Lehrkräftemangels an österreichischen Bildungseinrichtungen laut, wobei der vermehrte Einsatz von Studierenden im Lehramtsstudium sowie Quereinsteigenden als notwendig erachtet wurde. Trotz der unmittelbaren Relevanz dieser Thematik für mich als Studierende im dritten Semester des Lehramts, soll der vorliegende Beitrag nicht allein auf diese Angelegenheit fokussieren. Mein Wissen, dass mich ein frühzeitiger Berufseinstieg durchaus treffen kann, hat mich dazu motiviert, außerhalb meines Orientierungspraktikums in diesem Semester praktische Erfahrungen zu sammeln und meine pädagogische Praxis zu vertiefen. Seit September arbeite ich als Deutsch-Lernbegleiterin an der VHS im Rahmen der Wiener Lernhilfe und erwerbe sowohl dort als auch während meines Praktikums im Rahmen meines Studiums (an einer Polytechnischen Schule) Erfahrungen sowie Einsichten, die ich im Folgenden gerne beschreiben möchte. Damit will ich nicht nur zeigen, welche Herausforderungen neue Lehrkräfte (meistens allein) bewältigen müssen, sondern will auch darauf hinweisen, welche positiven Seiten das Lehrer-Dasein hat und wie liebenswert diese Berufung wirklich ist. 

Das erste Mal keine Schülerin mehr 

Meine Studienkollegin und ich betreten also die Schule. Ein bisschen unbeholfen komme ich mir schon vor. Aber ich bin froh, wenigstens nicht allein zu sein. Wir lernen unsere Mentorin kennen. Sie ist jung, Deutsch und Biologie-Lehrerin, und wir verstehen uns sehr gut. Das erleichtert schon mal viel und lindert die erste Nervosität ein bisschen.
Thema der ersten Stunde: Bewerbungsschreiben. Noch während ich in der Klasse sitze, überlege ich mir schon einmal eine grobe Konzeption, wie meine erste Stunde zu diesem Thema ausschauen würde. Auch wenn sich der Gedanke daran, vor der Klasse zu stehen, doch noch recht fremd anfühlt. Die Stunde verläuft ruhig, die Schüler:innen fallen nicht „unangenehm“ auf, die Lehrkraft unterrichtet. Nur eine Sache verwundert mich: Eine Schülerin, die die ganze Stunde nur am Tisch den Kopf in die Hände gestützt da liegt, wird kein einziges Mal darauf angesprochen. Sollte man sie nicht wenigstens darauf aufmerksam machen? Die Erklärung, die von meiner Mentorin danach erfolgt, macht mir gleich einmal bewusst, dass ein dickes Fell in diesem Beruf sicher nicht schadet. Die Schülerin hat Probleme mit ihrer psychischen Gesundheit. Die Eltern wissen Bescheid, die Schulpsychologin ist eingeschaltet und anscheinend bekommt das Mädchen angemessene Hilfe. Nur unsere Mentorin scheint als Lehrkraft doch recht hilflos zu sein. Damit zweifle ich nicht ihre Fähigkeiten als Lehrkraft an, sondern schlichtweg das Fehlen von Möglichkeiten, wie man helfen könnte. Man versucht das Mädchen zwar so gut es geht in den Unterricht miteinzubeziehen, ermöglicht ihr, die Aufgabenstellungen allein zu bearbeiten, um ihr das Lernen zu erleichtern. Und so kann man wenigstens das Schulische ein wenig vereinfachen. Nur bei ihrem Problem richtig zu helfen, entpuppt sich als ziemlich schwierig.
Vielleicht liegt es daran, dass ich in meiner Schulzeit mit solchen Problemen nicht konfrontiert war und daher in Bezug auf dieses Thema sehr naiv in die Praxis gestartet bin. Aber zu sehen, dass man als Lehrkraft ab einem gewissen Punkt doch relativ machtlos ist, hat mir einen kleinen Dämpfer versetzt. Sicher auch meiner Naivität verschuldet, hatte ich viele Schattenseiten, oder vielleicht auch einfach „nur“ alltägliche Hürden die mir als Lehrkraft begegnen können, nicht so sehr im Blick. Noch die ganze Woche nach diesem Vorfall, habe ich mir die Frage gestellt, warum man nicht mehr tun kann und warum man vielleicht auch nicht jedem helfen kann. Selbst wenn man das gern würde. Meine Praxis in dieser Schule und auch andere Vorfälle in den VHS-Kursen, die ich jetzt hier nicht alle vorhabe zu schildern, haben den dünnen Schleier, der doch noch die „theoretische Schule“ von der „realen Schule“ getrennt hatte, verblassen lassen. Und das ist auch gut so. Jetzt gilt es nur zu lernen, diese Hürden zu überwinden und Wege zu finden, am besten damit umzugehen. 

Auch erste gute Erfolge

Aber zum Glück hat mir meine bisherige Praxis nicht nur ihre Schattenseiten der Schule gezeigt, sondern vor allem auch die schönen. Besonders in den Deutsch-Kursen der VHS die ich leite, zeigt sich oft, dass sich die Bemühungen der Schüler:innen und auch meine, fast immer bezahlt machen:
Die erste Stunde meines Kurses ist vorbei. Und ich fühle mich nur eins: überfordert und unsicher. Ich habe vor allem Zweifel daran, ob meine Erklärungen für die Schüler:innen auch verständlich und angemessen waren. Entsprechen die Übungen überhaupt dem Lehrplan? Was verlangt der Lehrplan eigentlich? In welcher Schulstufe schreibt man jetzt noch einmal einen Bericht?
Ich gab mir Mühe die Materialien und Übungen so aufzubereiten, dass sie für die Kinder und Jugendlichen angemessen waren. Und trotzdem hinterfragte ich jedes Mal, ob meine Vorbereitung passt, die Übungen machbar sind und vor allem, ob sie den Schüler:innen helfen. Aber die Unsicherheit schwindet nach der Zeit. Man lernt nicht nur die Kinder besser kennen, sondern auch sich selbst und den eigenen Lehrstil. Und nach ein paar Wochen bekam ich die erste Bestätigung, dass sich mein Einsatz bezahlt macht:
An einem Donnerstag kam ein Junge, mit dem ich die Wochen zuvor für seine Deutsch-Schularbeit gelernt hatte, grinsend in meinen Kurs. Ich war noch mit einer anderen Schülerin beschäftigt, erklärte ihr die Übung zu Ende und sah erst dann auf. Der Junge grinste mich noch immer an und sagte: „Frau Lehrerin, die Schularbeit ist ein Zweier!“. Den Tag konnte mir so schnell keiner mehr vermiesen! Ich begann auch zu Grinsen, lobte ihn und gratulierte ihm zu seiner Note. Das erste Mal zu hören, dass sich nicht nur meine Bemühungen, sondern vor allem die der Schüler:innen auszahlen hat mir gezeigt, wie schön es ist, stolz auf deren Erfolge zu sein. Denn wenn man früher die eignen Erfolge bei Prüfungen in der Schule gefeiert hat, feiert man jetzt die der Kinder. Obwohl ich auch, und das denke ich auch zurecht, stolz auf mich war. Ich hatte ihm ein Stück weit weitergeholfen, da hinzukommen, wo er hinmöchte. Und das, obwohl zu Beginn so viel Unsicherheit in meinem Handeln lag. Und genau das ist es, was ich unter „Lehrer:in-Sein“ verstehe. Den Kindern eine Stütze zu sein und bei Hürden weiterzuhelfen. 

Und jetzt? 

Nun selbst Einblicke in die Schulen und das Arbeiten mit Schüler:innen zu bekommen, zeigt mir nicht nur, dass ich den richtigen Beruf für mich gewählt habe, sondern auch, welche Herausforderungen noch auf mich zukommen werden. Nun einen ungefilterten Blick hinein werfen zu können, lässt mich nicht nur den Job noch mehr lieben, sondern zeigt mir auch, dass ich noch viel zu lernen habe. Nicht nur im Studium, sondern auch bei meinen Praktika heißt es beobachten, reflektieren, ausprobieren und verbessern. Auch wenn meine ersten Einheiten in der Schule ziemlich gut verlaufen sind, (dazu in einem folgenden Beitrag mehr) habe ich auch Dinge erkannt, die ich zuvor nicht so im Blick hatte, die es aber auch noch zu überwinden gilt. Wie mir das gelingen mag und wie’s mir dabei geht, wird sich noch zeigen. Ich werde auf alle Fälle berichten! Nur, was ich jetzt schon mal sagen kann: Das Lächeln der Kinder zu sehen, wenn sie Erfolge feiern, übertrifft eindeutig die schwierigeren Dinge!

Anna Lemmerer ist Autorin bei Schulgschichtn und Lehramtsstudentin im dritten Semester.

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Schule als ein zentraler Ort der Sozialisation und Wissensvermittlung trägt maßgeblich zur Bewusstseins- und Wissensbildung von Kindern bei. Zudem ist sie neben den Bezugspersonen und den Peer-Groups die wichtigste Quelle für sexuelle Aufklärung. Angesichts der Autorität der Schule und der Lehrer:innen verfügen die ausgewählten Lernmittel zur Wissensvermittlung und (sexuellen) Aufklärung nicht nur über mehr Gehör, sondern auch über mehr Gewicht. Wie Lehrer:innen über geschlechtliche und sexuelle Norm(alität) sprechen hat daher hohe soziale Wirkmacht und Normalisierungsgrad.

Hier setzt der vorliegende Beitrag an. Er versteht sich als ein Appell für eine queere Pädagogik, die mit Ungewissheit und Heterogenität umzugehen weiß und fähig ist, sexuelle und geschlechtliche Subjektivität als unabgeschlossenen und selbstbestimmten Prozess zu begreifen. Die Würde und die Selbstbestimmung des Menschen und der Diskriminierungsschutz sind die leitenden Grundprinzipien des vorliegenden Beitrags.

Der Philosoph Paul B. Preciado bezeichnet Schule als ersten Ort, an welchem Kinder zu sagen lernten, wir, die Jungen, seien nicht wie sie, die Mädchen. Die binäre Vergeschlechtlichung verfestige sich durch die an der Schule dominante Sprache, die Sprache der „heimlichen und dumpfen Gewalt der Norm“. Ihrem Anschein nach asexuell und neutral, habe sich die Schule als Disziplinaranstalt der Normalisierung von Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität verschrieben. Paul B. Preciado hat die Auffassung, dass in Bildungseinrichtungen daher Vorkehrungen getroffen werden müssten, die der „konstitutive(n) Beziehung zwischen Pädagogik, Gewalt und Normalität“ ein Ende setzen.

Das teile ich. Daher schlage ich mit Paul B. Preciado vor, der Einzigartigkeit und der Vielfalt menschlicher Existenz und Körper mehr pädagogische Beachtung zu schenken. Dafür schlage ich eine queere Pädagogik vor, die von folgenden Annahmen geleitet ist.

Die Annahme der Zweigeschlechtlichkeit als Naturtatsache bildet den vermutlich härtesten Stabilitätskern des Alltagswissen. Queere Literaturdidaktik rüttelt über die Textwahl und Aufbereitung eben daran. Dadurch öffnet sie Denk- und Vorstellräume, um über den eignen Körper, über Zugehörigkeiten und eigene sowie fremde Kategorisierungen und Erwartungshaltungen zu reflektieren. Sie beleuchtet das Nichtgesagte der Aufforderung: „Sei du selbst“, wo stets der Anhang verschwiegen wird, dass du nur du selbst sein kannst, solange du dich innerhalb der sozialen Normen von „männlich“ und „weiblich“ bewegst. Verlässt du sie, bist du schnell „zu viel“ bzw. nicht intelligibel. Vermittelst verschiedener sozialer Ächtungsmethoden werden queere Menschen diszipliniert. Sie erfahren für das ausgelöste Unwohlsein von Beschämung bis hin zu (tödlicher) Gewalt alles. Statt sich ihrem eigenen Unwohlsein zu stellen, projizieren verunsicherte Menschen ihre ausgelöste Angst und Wut auf die auslösende Person.

Bauen Menschen ihre Geschlechtsidentität überwiegend auf der sozialen Identität/Kategorie „Mann“/“Frau“ auf, fühlen sie sich durch queere Menschen in ihrem Selbstverständnis als „Mann“ verunsichert bis hin zu bedroht. Diese subjektive Wahrnehmung von Bedrohung ruft Vorurteile und diskriminierendes Verhalten hervor, selbst wenn sich die wahrgenommene Bedrohung allein auf symbolische Ressourcen wie Normen, Werte oder Moralvorstellung bezieht. Nicht-geschlechterkonforme Menschen widersprechen der Heteronormativität. Ergo irritieren sie traditionelle Normen. Je stärker nun die Bedrohung der eigenen Gruppe wahrgenommen wird, desto negativer die Einstellungen und das Verhalten. Eine starke Selbstkategorisierung als Mitglied einer bestimmten sozialen Gruppe (z.B.: „Mann“) kann zu einer De-Personalisierung führen. Dabei wird das eigene Verhalten nicht mehr durch individuelle Normen und Werte, sondern überwiegend durch Normen und Werte der Gruppe geleitet. Unterschiede in der eigenen Gruppe werden geringer gemacht, wohingegen Unterschiede zur anderen Gruppe als stark wahrgenommen werden. So kann ein Kind selbst unter Ausgrenzung und Beschämung leiden, in einer subjektiven Bedrohungswahrnehmung dennoch selbst an Beschämung und anderen Gewaltformen beteiligt sein. Die teils paranoische Bedrohungsagitation verdeutlicht in meinen Augen, eine größere Verhaftung innerhalb der sozialen als der persönlichen Identität.

Gleichwohl offenbart sie die Fragilität und Zerbrechlichkeit sozialer Normen. Geschlechtsidentität offenbart sich als komplexe Inszenierung, die einer immerwährenden Wiederholung, eines ständigen Zitierens ihrer selbst bedarf. Sie ist als soziales Normierungsverfahren (Kategorisierung) aufzufassen, die lediglich produziert, was sie deklariert. Nichtsdestotrotz ist unsere Existenz an soziale Normen gekoppelt, weil wir ohne Anerkennung nicht zu existieren vermögen und so auf eine Selbstverhaftung an soziale Normen angewiesen sind. Normen haben in sich die Unmöglichkeit des Erfüllens eingeschrieben. Sie sind für jede:n unerreichbar. Setzen wir uns mit der Norm(alität) in Bezug, so bemerken wir schnell, dass ihre Annahmen in unterschiedlichster Art und Weise auf uns zu treffen. Anders gesagt: Die Annahme eine klare Zuordnung, wann ein „Mann“ ein „Mann“ und eine „Frau“ eine „Frau“ sei, ist nicht so einfach zu treffen, wie oft behauptet wird. Genitalien, Muskeln, Haare, Hormonstatus, Körper im Allgemeinen treten in vielfältigen Variationen auf. Geschlecht wird im Alltagsverständnis unterschätzt, denn Geschlecht ist nicht binär. Unsere Vorstellung von einer einfachen, unstrittigen Einteilung in Mann und Frau ist schlichtweg falsch. Genauso wie die Annahme das Genital allein sei für die Geschlechtsidentität ausschlaggebend. Es gibt über 2000 intergeschlechtliche Variationen, die häufig bis ins höhere Alter oder das ganze Leben unentdeckt bleiben können. Körper sind einzigartig und Geschlecht ein Kontinuum und somit hat Geschlecht mehr Schattierungen, als die schwarz-weiße Malerei behaupten möchte. Abschließend möge folgendes Zitat als Anregung dienlich sein: „Definitionen definieren denjenigen, der definiert, nicht diejenigen, die definiert werden.“

Eine queere Pädagogik eröffnet die Möglichkeit darüber ins Reden zu kommen. Sie stellt Kreativität vor Normativität und ermutigt Kindern selbstbestimmtes Handeln und Denken. Indem sie sich mit sozialen und familiären Erwartungshaltungen sowie sozialen Kategorisierungen auseinandersetzt, ermöglicht sie Geschlechtszugehörigkeiten nicht länger als Körperdeterminiert anzusehen, sondern die normative Kausalitätskette Köper – Geschlecht – Begehren aufzulösen. Sie dekonstruiert den Glauben, dass es nur die Opposition „Mann“ und „Frau“ gäbe, dass „Männlichkeit“ nur für „Männer“ und „Weiblichkeit“ nur für „Frauen“ wäre und dass dies die einzigen Optionen für Selbstausdruck und Selbstverständnis wären.

Queere Pädagogik ist von der Frage geleitet, ob jede:jeder wirklich sie:er selbst sein darf? Sie möchte der Angst vor dem Unbekannten, dem Komplexen und der menschlichen Vielfalt mit Kraft und Zuversicht begegnen. Denn das Unbekannte stellt das, was wir über uns zu wissen glauben, immer wieder in Frage. Das ist gut, weil es Selbstreflexivität und Offenheit gegenüber Transformationen fördert. Und das sollte etwas zum Feiern und nicht zum Fürchten sein. Dadurch verhelfen wir Kindern eine starke, selbstkritische und vorurteilsbewusste persönliche Identität aufzubauen, die sich an der Würde jedes Menschen, der Selbstbestimmtheit und dem Diskriminierungsverbot orientieren.

Jonathan Herkommer

 

Quellen:

Paul B. Preciado. Ein Apartment auf dem Uranus. Berlin 2020. S. 196. und S. 198

 Vgl.Daniel Geschke. Vorurteile, Differenzierung und Diskriminierung – sozialpsychologische Erklärungsansätze. 16.04.2012. bpb.de (https://t1p.de/egx6e)

 Vgl. Alok Vaid-Menon. Beyond The Gender Binary. New York 2020. 17-36.

 Francesca Melandri. Alle außer mir. Berlin 2018. S. 285.

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Ich habe letztes Jahr mit meinem Lehramtstudium begonnen, weil ich Lehrerin werden will. Und weil ich mir sicher bin, diese Aufgabe gut meistern zu können. Irgendwie klar, sonst hätte ich das Studium ja auch nicht gewählt. Trotzdem will ich bestmöglich auf meine spätere Aufgabe vorbereitet werden, um dann dieser auch gewachsen zu sein. Vorab: Ja, ich bin erst im zweiten Semester und stehe vor meinem ersten Praktikum des Studiums. Doch ganz ehrlich? Unserem Lehrplan und dem Feedback der „frisch fertig gewordenen“ Lehrer:innen zufolge, bezweifle ich immer mehr, nach dem Studium dieser Aufgabe auch gewachsen zu sein. 

Was ist das Problem?

Stellt man mir die Frage, ob ich mir vorstellen kann, später einmal Lehrerin zu werden, lautet meine Antwort definitiv JA. Fragt man mich aber, ob ich glaube, nach meinem Studium dieser Herausforderung gewachsen zu sein, muss ich widerwillig mit NEIN antworten. Ja, ich stehe erst ganz am Anfang meines Studiums, und vielleicht ändert sich meine Meinung diesbezüglich auch noch. Und klar, ich habe noch zu wenige Erfahrungen und Skills, die mich in meinen Ausübungen sicher fühlen lassen. Nur stehen die Aussichten, diese wichtige praktische Erfahrung in den nächsten Jahren auch wirklich zu sammeln, ziemlich schlecht. 

Allein in meinem vier-jährigen Bachelorstudium – das mich berechtigt in einer Unterstufe zu unterrichten – habe ich insgesamt nur drei Praktika. Zusätzlich dazu pro Semester maximal zwei Vorlesungen oder Seminare zu bildungswissenschaftlichen und pädagogischen Themen, und fast keinerlei praktische Erfahrungen. Allein in den ersten zwei Semestern steht ein:e Lehramt-Student:in keine einzige Stunde vor einer Klasse oder kann durch andere praktische Prüfungen seine:ihre Fertigkeiten erweitern. Die ein bis zwei Vorlesungen mit bildungstheoretischem Inhalt sind zudem nicht mal anwesenheitspflichtig und werden von Studierenden meisten auf Gut-Glück mit Zusammenfassungen-Lernen geschrieben. Also auch nicht sonderlich weltbewegend. 

Ich stelle mich also nach vier Jahren Studium und einem Bachelor of Education vor eine sechste Klasse: Ich kann ihnen bildungshistorische Grundlagen erklären, erzählen welche verschiedenen Entwicklungsstufen ein Mensch durchgehen muss und wer in welchem Jahrhundert welche Bildungstheorie aufgestellt hat. Ich weiß aber nicht, wie ich mit gesellschaftskritischen Themen umgehe, geschweige denn weiß ich, wie ich mit verhaltensauffälligen Kindern & Jugendlichen zurechtkomme (von Dingen wie Diskriminierung oder Rassismus ganz zu schweigen). Ich muss mich also wirklich fragen, ob ich nach einem vierjährigem Lehramt-Studium wirklich qualifiziert dazu bin, eine Klasse zu unterrichten.
Kommen dann noch Faktoren wie Multikulturalität, fachfremder Unterricht, keinerlei Vorerfahrungen, Teamteaching und viel zu wenig grundlegendes didaktischen Wissen hinzu, kann ich es Kolleg:innen nicht verdenken, wenn sie überfordert sind. 

Das Problem mit den Lehrinhalten 

Damit will ich gar nicht sagen, dass bildungshistorische Lehrveranstaltungen oder psychologische Grundlagen unwichtig für unser Studium sind. Im Gegenteil, um später praktisch richtig, oder zumindest angemessen, handeln zu können, sind theoretische Grundlagen sehr essenziell. Aber nur dann, wenn andere, zeitgemäße Umstände auch behandelt und gelehrt werden. Denn was bringt es mir für einen Vorteil, zu wissen wie viele verschiedene Kompetenzmodelle es gibt und wie ich richtige Unterrichtsforschung betreibe, wenn ich mit z.B. Mehrsprachigkeit in Klassen nicht umgehen kann? Das bringt mir einzig und allein Vorteile bei den Prüfungen an der Uni, aber sicher nicht später beim Unterrichten. 

Das Ganze mal aus einer anderen Perspektive betrachtet: Stellt man das Verhältnis von bildungswissenschaftlichen und fachspezifischen Lehrveranstaltungen in einem Semester, oder des ganzen Studiums, gegenüber, lässt sich eine eindeutige Tendenz in die fachspezifischen Bereiche erkennen. Von ca. zehn Lehrveranstaltungen in einem Semester sind mindestens acht davon fächerspezifisch zuordenbar. Und davon sind viele nicht mal mit ein bisschen didaktischem Wissen verknüpft. Und dabei ist klar, dass man, um Lehrinhalte vermitteln zu können, auch über Wissen in diesem Gebiet verfügen muss. Nur wenn ich nicht lerne, wie dieses Wissen richtig vermittelt werden kann, bringt mir meine umfassende Ausbildung als Lehrkraft auch recht wenig. 

Was ist also nötig? 

Mehr Praxis! Mehr didaktische, aktuelle Lehrveranstaltungen und bessere Bedingungen! 

Wenn doch schon seit Jahren Lehrer:innenmangel herrscht, darf man doch das Lehramtstudium nicht noch unattraktiver gestalten. Es gehören mehr Praktika in die Curricula (Lehrpläne) mit zusätzlichen Fokus auf mehr (auch gerne fachspezifisches) didaktisches Wissen. Es darf nicht einfacher und meistens auch besser sein, als Quereinsteiger:in zum Lehrberuf zu kommen. Es mangelt nicht an den motivierten Menschen. Sondern an den Umständen des Lehrer:innenalltags. 

Die Infrastrukturen des Studiums sollten also nicht nur die Student:innen bei ihrem Studium unterstützen, sondern auch beim den oft schon möglichen Unterrichten nebenbei. Angehenden Lehrer:innen das Unterrichten neben dem Studium durch unvorteilhaft koordinierte Curricula zu erschweren, ist aufgrund des bestehenden Lehrer:innenmangels sicher auch nicht im Sinne der Bundesregierung. 

Ich wünsche mir wenigstens den Versuch, mehr auf die späteren Aufgaben zu achten und auf dem basierend das Curriculum aufzubauen. Und an alle die gerade in derselben Lage wie ich stecken: Ich hoffe, euch liegt dieser Beruf genau so sehr am Herzen, und ihr versucht, genau diesen wieder attraktiver werden zu lassen.

Anna Lemmerer ist Lehramtsstudentin und Praktikantin bei Schulgschichtn