Karriere als Lehrer*in?
Einmal Lehrer*in, immer Lehrer*in. Für die meisten Maturant*innen mit ausgezeichnetem Abschluss und der Motivation, Veränderung zu bewirken und Karriere zu machen, kommt ein Lehramtsstudium überhaupt nicht in Frage. Lehrer*innen, das sind Menschen, die keine großen Ambitionen haben, denen „nix gscheits“ eingefallen ist, die lange Ferien haben möchten… Genau so habe ich als 19-jährige auch gedacht. Schlussendlich bin ich doch Lehrerin geworden, wenn auch über Umwege. Seitdem stelle ich mir die Frage: Wie könnten die intelligentesten, motiviertesten und engagiertesten Schulabsolvent*innen davon überzeugt werden, eine Lehrer*innenkarriere einzuschlagen?
Natürlich gibt es zu dieser Frage keine einfache, und schon gar nicht nur eine einzige Antwort. Dennoch möchte ich einen Vorschlag wagen, der meines Erachtens nach relativ einfach umzusetzen wäre und wohl kaum die ideologische Debatte entfachen würde, von der die Diskussion um das österreichische Bildungssystem seit jeher geprägt ist: Aufstiegsmöglichkeiten, beziehungsweise eine Karriereleiter im Bildungssystem.
Der Status Quo – eine österreichische Lösung
Viele Staaten mit besonders erfolgreichen Bildungssystemen (laut OECD Studien wie PISA) bieten ihren Lehrer*innen umfangreiche Möglichkeiten zur professionellen Weiterentwicklung und eine klar definierte Karriereleiter. Wie sieht die Situation in Österreich aus?
Während durchaus vielfältige Möglichkeiten zur Aus- und Fortbildung bestehen, gibt es im öffentlichen Schulsystem kaum Möglichkeiten, innerhalb der Schule beruflich aufzusteigen. Der einzige wirkliche Karrieresprung wäre der Schritt in die Direktion, den allerdings ob der begrenzten Stellen und derer parteipolitischen Besetzung nur wenige Lehrer*innen schaffen. Darüber hinaus hat natürlich nicht jede*r Lehrer*in den Wunsch, die Verantwortung und vor allem den administrativen Aufwand der Schulleitung zu übernehmen. Denn zum Unterrichten bleibt den Direktor*innen so gut wie keine Zeit mehr.
Welche Möglichkeiten gibt es noch? Klassenvorstand zu werden und eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen über 4 Jahre zu begleiten, ihnen einen Rahmen zu geben und mit ihnen zu lernen, ist für viele Lehrer*innen eine sehr erfüllende Aufgabe. Dass diese mit nur rund 80€ Netto mehr am Konto einhergeht, ist einigen der deutlich höhere Aufwand allerdings nicht wert (der höhere Aufwand entsteht vor allem durch administrative Tätigkeiten wie das Eintragen der Fehlstunden oder Ausfüllen von Formularen, aber auch durch die vermehrte Elternarbeit und die Organisation von Projektwochen und ähnlichem).
Weiters gibt es sogenannte Fachkoordinator*innen, also Lehrkräfte, die für ein bestimmtes Schulfach (Deutsch, Mathematik oder Englisch) bestimmte Tätigkeiten, wie die Leitung von Fachkonferenzen (Besprechungen von Lehrer*innen einer Schule, die dasselbe Hauptfach unterrichten) übernehmen. Diese Rolle hat keine klar definierten Aufgabengebiete.
Schlussendlich gibt es Kustodiate. Diese gibt es zum Beispiel für Geografie, Biologie oder EDV und werden an eine*n Lehrer*in übergeben. Die Aufgabe der verantwortlichen Lehrkraft besteht darin, den Überblick über die Materialien, die für dieses Fach vorhanden sind (Computer, Steinsammlungen, Mikroskope usw.) zu behalten und diese in Stand zu halten. Das Kustodiat für EDV wird insofern honoriert, dass die Lehrperson dafür eine Unterrichtsstunde verwendet, also bei gleichbleibendem Gehalt eine Stunde weniger in der Klasse steht. Genau definierte Aufgabenbereiche oder Ziele, die erreicht werden sollen, gibt es auch bei dieser Rolle nicht.
So weit, so gut – wie geht es anders?
Wie oben bereits erwähnt, bieten viele Staaten ihren Lehrer*innen weitaus durchdachtere und differenziertere Aufstiegsmöglichkeiten an. Ich möchte hier am Beispiel Singapur aufzeigen, wie so eine Karriereleiter aussehen könnte. Auf der offiziellen Website des singapurischen Bildungsministeriums ist die untenstehende Tabelle zu finden (Zugriff am 27.10.2018). In Singapur werden also drei verschiedene Karrierepfade für Lehrkräfte angeboten, weil „different teachers have different aspirations“.
Quelle: ebd.
Während alle Lehrer*innen als „Classroom Teachers“ beginnen, können sie je nach Interesse und Fähigkeiten innerhalb des Bildungswesens in Positionen mit mehr Verantwortung (und, damit einhergehend, mehr Verdienst) aufsteigen. Das singapurische Bildungsministerium erklärt die verschiedenen Pfade so:
„The Teaching Track provides professional development and advancement opportunities for teachers who are keen to further develop the pedagogical capability of the teaching force, with the pinnacle position of Principal Master Teacher. The Leadership Track gives you the opportunity to take on leadership positions in schools and the Ministry’s headquarters. If you are inclined towards more specialised areas where deep knowledge and skills are essential for breaking new ground in educational developments, the Senior Specialist Track is available for you.” (ebd.)
Lehrer*innen können also eine Karriere verfolgen, wie sie auch in anderen Unternehmen und Firmen durchaus üblich ist, und die motiviertesten und talentiertesten steigen sogar bis ins Bildungsministerium auf. Lehrkräfte, die sich besonders einsetzen und auszeichnen, die sowohl ihr Fachwissen, als auch ihre pädagogischen Fähigkeiten und ihr Führungstalent unter Beweis stellen, können durch diese Struktur eine entsprechende Position und Entlohnung erwarten. Erfolgreiche Schulabsolventen, die „Karriere machen“ wollen, werden also nicht unbedingt in die Privatwirtschaft gezogen, sondern sehen auch im Bildungssystem eine herausfordernde und vor allem auch sinnvolle (das kann die Privatwirtschaft nicht immer bieten!) Aufgabe, in der sie sich behaupten und profilieren können. Wie es das singapurische Bildungsministerium (ebd.) auch formuliert: „Like any other profession, career advancement is only limited by your own performance and potential.”
Soll heißen?
Dass Österreich mehr engagierte und ambitionierte Lehrkräfte braucht, hat die Politik bereits erkannt. Dennoch gibt das derzeitige Schulsystem den ehrgeizigsten und talentiertesten Schulabsolvent*innen keine gewichtigen Gründe, Lehrer*in zu werden. Karrieren gibt es in der Privatwirtschaft, in der Politik, im künstlerischen Bereich, aber nicht in der Schule. Im Gegensatz dazu zeigt das singapurische Bildungssystem konkrete Karrierepfade und Aufstiegsmöglichkeiten auf. Ambitionierte Lehrkräfte haben die Möglichkeit Positionen mit mehr Verantwortung, mehr Veränderungsmöglichkeit und mehr Verdienst zu erlangen. In Österreich ist die einzige Möglichkeit zu einem großen Karriereschritt das Direktor*innendasein, das allerdings nicht jeden anspricht. Um mehr Verdienst zu erlangen, müssen Lehrer*innen einfach möglichst lange im System bleiben, ohne unbedingt außergewöhnlich gute Arbeit leisten zu müssen. Das stellt für viele junge Menschen natürlich keine ausreichende Herausforderung dar.
Dass eine Karriereleiter nicht die Lösung aller Probleme ist, ist klar. Wenn wir in Zukunft außergewöhnlich gute Lehrkräfte an unseren Schulen haben möchten, müssen wir ihnen aber unbedingt mehr Anreize schaffen.
Die Autorin ist Lehrerin an einer NMS in Wien.
Sehr nette Geschichte. Leider einige Dinge, die einer Richtigstellung bedürfen. In der NMS gibt es kein bezahltes Kustodiat für Geografie oder Biologie, bzw. keine Abschlagstunde – nur für EDV. Klassenvorstand bringt ca. 85 Euro brutto. Außerdem wird auf den Bereich der LerndesignerInnen bei den zusätzlichen Ämtern nicht eingegangen. Bitte um Korrektur.
Danke für das Kommentar und den Hinweis. Wir haben den Text in Bezug auf das EDV-Kustodiat richtiggestellt.
Guter Beitrag.
Es geht aber weiter. Viele gute Lehrer wollen gar nicht Direktor werden, das ist keine erstrebenswerte Karriere (viel Verwaltungsarbeit, viel Verantwortung, wenig Anerkennung, viel Ablehnung, viele Probleme, schlechte Bezahlung etc.).
Und engagierte Lehrer müssen mit Gegenwind von ihren Kollegen rechnen, die vorgeführt bekommen, was sie selbst alles nicht optimal machen.
Kurz: Es zahlt sich in der Schule nicht aus, bessere Arbeit zu leisten, es ist eher kontraproduktiv.
Beim Bundesheer ist es möglich, dass auf wenige Indianer viele Häuptlinge kommen: In Österreich haben wir ca. 140 Generäle.
Im Schulwesen hingegen fällt fast die ganze im System zu leistende Arbeit in den Klassenzimmern an – immerhin müssen über eine Million Kinder und Jugendliche unterrichtet werden: da kann man hinter dem Katheder nicht groß karrieremäßig differenzieren. (Wäre auch kontraproduktiv, denn dann wären jedenfalls blitzschnell die „gewöhnlichen“ Lehrer an den schlechten Noten meines Kindes schuld, weil sie nicht ausreichend qualifiziert sind.)
„If you are inclined towards more specialised areas where deep knowledge and skills are essential for breaking new ground in educational developments, the Senior Specialist Track is available for you.” (Singapur)
Wenn die Verfasserin einschlägig interessiert ist, dann kann sie in dieser Sache auch in Österreich reüssieren: als Schulbuch-Autorin. Je deeper ihr knowledge und ihre skills, desto höher ihr Einkommen – und über Geld definiert sie ja ihren Begriff von „Karriere“.
Geschätzter Herr Wallner,
ich muss Ihnen hier widersprechen. Ich denke, dass es nicht „nur“ Geld ist, was die Karriere ausmacht. In Österreich ist es jedoch tatsächlich so, dass es für eine Lehrkraft nicht möglich ist sich innerhalb des Systems so weiter zu entwickeln, dass dies als Karriere bezeichnet werden kann. Weder ist es für erfahrene Lehrkräfte möglich verstärkt in der Schulentwicklung zu arbeiten, noch möglich Führungsverantwortung in einer Schule im Sinn eines mittleren Managements zu übernehmen.
Hier wäre es durchaus sinnvoll über Änderungen nachzudenken ohne gleich das „Horrorfilm“ des Bundesheers zu zeichnen. Dass dies alles Geld kostet ist leider auch eine Realität, die der Dienstgeber nicht bereit ist zu akzeptieren.
Beste Grüße,
Thomas Plotz
Sehr inspirierender Beitrag, danke für die strukturierte Aufbereitung eines Lösungsvorschlags mit dem Blick nach Singapur!