Unterrichten ist Aufrichten
Wieder einmal knapp geschafft, vor dem Läuten noch schnell ins Lehrerzimmer. Der knapp bemessene Platz, übervoll mit den Büchern für fünf Klassen und sonstigem Material, wird kurz besucht. Mein auf die Schubladenbox geklebter Leitspruch von W. B. Yeats schon etwas zerknittert: „Education is not the filling of a bucket but the lighting of a fire“.
„Good morning, everybody!“ In der 1. Klasse wird der Gruß freudig erwidert, bis zur 8. Klasse wird der Ton skeptischer, die meisten stehen zu Beginn der Stunde noch auf, obwohl man das eigentlich nie verlangt hat. Auch das Lächeln kommt zurück, und seit mir eine Schülerin gesagt hat, wie selten und wichtig es wäre, dass ein*e Lehrer*in mit einem freundlichen Gesichtsausdruck die Klasse betritt, achte ich noch mehr darauf. Ich freue mich aber auch wirklich auf sie. Auf alle: die ganz Eifrigen, die immer die Hände oben haben, wie auch jene, die in sich gekehrt dasitzen, um dann irgendwann ein Leuchten auf ihren Gesichtern zuzulassen, plötzlich aufgewacht, am Geschehen beteiligt.
Jede Stunde ist anders, so wie auch jedes Zwiegespräch mit einem Menschen einmalig ist. An manchen Tagen herrscht Unruhe, an anderen wieder ist Erschöpfung, auch Missmut bemerkbar. Immer ist da Neugier, die gestillt und Energie, die umgesetzt werden will. Jedes Mal die Herausforderung, diesen jungen Leuten die Möglichkeit zu bieten, ihre Zeit in der Schule sinnvoll zu verbringen – zu lernen, zu fragen, aber auch im Gespräch ihren Frust loszuwerden oder einfach nur zu lachen.
Es ist wieder Pause, soweit man die fünf Minuten zwischen den Unterrichtseinheiten eine solche nennen kann. Schnell zurück in das Konferenzzimmer, ein paar Schlucke aus der Wasserflasche und die Materialien für die nächste Stunde in die Tasche gesteckt, dann läutet es schon wieder. Hildegard stoppt mich auf meinem Weg zur Klasse, um mir ihren Ärger über administrative Neuerungen mitzuteilen. Diese stören mich auch, ich muss jetzt aber wirklich in den Unterricht gehen.
Meine Kräfte sammeln sich sobald ich in eure Nähe komme. Auch wenn es mich ein bisschen nervt, dass ein paar schon wieder im Gang herumhängen, um zu schauen ob „sie kommt“. Da bin ich nun wieder, bereit für eine neue Stunde, bereit, den Lehrstoff zu präsentieren, euch zu ermuntern und gegebenenfalls zu korrigieren. Mit euch komme ich jedenfalls immer ein Stückchen weiter. Manche machen große Sprünge, andere wieder nur kleine, aber wichtige Schritte, und ich darf Anteil an eurer Entwicklung haben.
Unterrichten: gemeinsam herausfinden, welches der richtige Weg für euch als Heranwachsende und mich als Begleitende ist. Theo überrascht mich wieder einmal mit seinen Vokabelkenntnissen. Katharina hat endlich eine Sitznachbarin gefunden, und Peter erklärt Lukas wie immer geduldig, wo wir mit dem Lesen aufgehört haben. Das Strahlen auf Rebekkas Gesicht, nachdem ich sie gelobt habe, begleitet mich nach der Unterrichtsstunde auf dem Weg in das Konferenzzimmer.
Die Autorin war Lehrerin an einem Gymnasium in Niederösterreich.
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