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„Lehrer werden ist nicht schwer, Lehrer sein dagegen sehr.“

Zugegeben, dieser Spruch ist leicht abgewandelt, aber er hat sich mir so aufgedrängt, dass er den Inhalt folgender Zeilen bestimmen soll. Seit knapp dreißig Jahren stehe ich mittlerweile – wie es so schön heißt – im Schuldienst. Schon allein dieser Terminus riecht nach allem, was „the dark side of teaching“ für mich ausmacht:

Jahresplanerfüllung, Evaluierung, Beamtentum, Mittelmäßigkeit, Listenliebe.

Seit knapp dreißig Jahren lerne ich jeden Tag ein bisschen mehr über meine Profession, die meines Dafürhaltens nach eine der Schlüsselpositionen in unserer Gesellschaft ist. Seit knapp dreißig Jahren sehe ich, dass Kolleg*innen am Werk sind, die ihre Ängstlichkeit und Unsicherheit durch starre Vorgaben übertünchen wollen, die sich selbst weder Kreativität noch Improvisationstalent zutrauen. Das geht teils so weit, dass sie diese Eigenschaften sogar bei den ihnen anvertrauten Kindern suspekt finden und infolgedessen krampfhaft bemüht sind, sie zu unterdrücken.

Jeder, der an seine Schulzeit zurückdenkt, kennt diesen Lehrertypus: Die Hausordnung ist sein Rückgrat, die Notengebung seine Religion und sein Verhalten ist entweder durch Selbstmitleid oder latente Aggressivität und Zynismus geprägt. Doch ist die Anwesenheit dieser Lehrerkarikaturen ein unabänderliches Schicksal unserer Schulen?

Schulqualität und der menschliche Faktor

Ich denke das nicht. Allerdings wäre es längst an der Zeit, dass sowohl Zugangskriterien zum Lehramtsstudium wie auch dieses selbst auf die Höhe der Zeit gebracht werden – unabhängig davon, für welche Schulstufe sich die Student*innen interessieren. Nicht das brave Wiedergeben erlernter pädagogischer Glaubenssätze und didaktischer Finten dürfen im Focus der Berufsausbildung stehen, ganz im Gegenteil: Originalität, Charisma, Kreativität, Lebendigkeit, gepaart mit möglichst breit gestreuten Interessen und damit einhergehend wirklicher Bildung müssen typisch für die kommenden Lehrergenerationen sein. Doch jetzt einmal ehrlich: Welcher Mensch, auf den diese Beschreibung zutrifft, möchte als Beamtin oder Beamter mit maximal mittelmäßigem Gehalt in dem versauern, was wir momentan Schule nennen?

Niemand.

Darum lautet mein Vorschlag an die Damen und Herren Schulpolitiker*innen: Hebt die Bezahlung der Lehrer*innen an, bietet ihnen ordentliche Arbeitsbedingungen (organisatorischer, räumlicher bzw. finanzieller Art) und gebt ihnen freie Hand, kreativ sowie möglichst eigenverantwortlich zu agieren! Vor allem der letzte Punkt ist meines Erachtens ein immens wichtiger. Warum das so ist, führe ich nachfolgend gerne aus.

Traum

Im Laufe meines Lehrerlebens habe ich so manche Anstalt kennengelernt: die momentan so gern genannte Brennpunktschule am Großstadtrand ebenso wie die Kindertagesaufbewahrungskaserne mit Bespaßungsfolter, die extrem vorausschauend und professionell geführte letzte Zuflucht für Kinder, denen überall anders mit Unverständnis begegnet wurde, ebenso wie die kleine, feine Bullerbü-Landschule. Dieser (übrigens jeder Kolleg*in empfohlene) Blick über den pädagogischen Tellerrand führt mich prompt zum nächsten Punkt, der dringend zu ändern wäre. Es handelt sich hierbei um Organisation und Hierarchie im Bildungswesen.

Niemand – ich wiederhole niemand – kennt das Klientel einer Schule besser als die dort beschäftigten Lehrer*innen.

Hätten die politisch Verantwortlichen endlich den Mut, ihren Mitarbeiter*innen „an der Front“ so viel Sachverstand, Einsicht und Intelligenz zuzutrauen, dass diese ihre Schule so organisieren können, wie es die Umstände vor Ort erfordern, dann wären unsere Bildungseinrichtungen menschlicher und effektiver.

Nein, das muss absolut kein Widerspruch sein.

Ganz im Gegenteil.

Und Wirklichkeit

Ein Minimum an Übereinstimmung ist natürlich erforderlich, um Schulwechsel möglich zu machen, so weit bin ich Realist. Andererseits jedoch muss es politisch denkbar sein, dass eine Kleinschule im ländlichen Raum sich auch grundlegend anders organisieren darf als ein großstädtischer Bildungscampus. Und vor allem, liebe Schulpolitiker*innen, vergesst nicht, dass nicht ihr oder andere Schreibtischhengste und -stuten wisst, wie Schule funktioniert! Sie drückt sich letztendlich nicht in Kostenaufstellungen und Muttersprachenstatistiken aus, sie ist ein lebendiges Miteinander von Menschen, erwachsenen und noch nicht erwachsenen.

Für diese muss ihr Arbeitsplatz ein lebenswerter sein.

Dann ist er auch ein im besten Sinne produktiver, einer, der gute Menschen heranbildet.

Und darum geht es euch ja.

Hoffentlich.

Der Autor ist Lehrer an einer NMS in Niederösterreich.

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