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Dienstag, 07.09. Konferenz: Die ersten Kolleg*innen brechen in Tränen aus. „Was ist eine CSV Datei? Wie sollen wir das machen? Was heißt umformatieren? Ich kann das nicht!“ Jahrzehnte der vernachlässigten digitalen Kompetenz brechen nun auf sie herein, wie eine Lawine, ein Erdbeben oder ein Tsunami. 

Ein neues Schuljahr, ein neuer Herbst, ein neues Chaos. Wie schon im letzten Jahr spüren wir Lehrer*innen, dass die Regierung im Sommer besseres zu tun hatte, als ein funktionierendes Sicherheitskonzept für die knapp eine Million Schüler*innen Österreichs zu erstellen – dürfen ja eh noch nicht wählen. 

Jetzt wird gespült. Zweimal wöchentlich über eine Plattform, die für wenige Nutzer*innen täglich konzipiert war. Das Anmelden ist eine Geduldsprobe, jede vierte Anfrage führt weiter. Mit etwas Glück. Dass unsere Schüler*innen mit 10 oder 12 Jahren selten ihre e-card mit sich führen, geschweige denn ihren Reisepass oder Personalausweis, dass viele von ihnen weder Mobiltelefon noch eine funktionierende Kamera haben, sind Nebensächlichkeiten. Dass wir von den Eltern mal die nur in Deutsch ausgesandten Einverständniserklärungen unterschrieben zurückbekommen – unser Problem. 

Dass wir im Unterricht nun montags und mittwochs mit drei Kolleg*innen gut 120 Minuten benötigen, die wir gerne auch mit dem Aufholen der verpassten 1,5 Jahre verbringen würden, um 25 Kindern beizubringen, wie man durch einen Pappstrohhalm in ein Reagenzglas spuckt – who cares? Längst sind wir keine Pädagog*innen mehr, die sich um die Zukunft des Landes kümmern sollten, sondern Betreuer*innen (Lockdown 2 und 3 für die Kinder, die zuhause nicht lernen können), Krankenschwestern (die sich gerne die Naseninhalte der Schüler*innen zu Gemüte führen, Antigentest in 2020/2021) und medizinisches Personal (PCR und Nasenbohrertest Schuljahr 2021/22). Im Vergleich zu den gut geschützten Testpersonen in Teststraßen und Apotheken stehen wir im Klassenzimmer auf engstem Raum mit quantitativ begrenzten Papierhandtüchern etwas erbärmlich aus. Aber was soll’s? Wat mutt, dat mutt! Sagt der Hamburger und wir glauben ihm. 

Der Effekt lässt nicht lange auf sich warten. Die meisten Klassenvorstände haben mittlerweile 10-15 ihrer Freizeitstunden geopfert, sieben Datensätze von 25 Kindern in ein ständig überlastetes System eingegeben (Name (keine Umlaute!!?), Vorname, Adresse (aber bitte ohne Bindestrich und Schrägstrich – doof nur, dass unsere Kinder alle 61-96/41/7 wohnen und die Namen aus Umlauten bestehen), Sozialversicherungsnummer (leider wurde hier für geflüchtete Kinder irgendwann der 13. Monat eingeführt, um von dem ständigen 01.01. wegzukommen und so sind die Sozialversicherungssnummern mancher unserer Kinder XXXX011309, welche aber im System nicht auszuwählen sind – noch hat das österreichische Bürokratiejahr keinen Monat 13, die Kinder sind aber klar stigmatisiert fürs Leben), E-Mail Adresse, aber bitte nicht die der Kinder unter 14 Jahren, doof nur, dass die Eltern oft keine haben…!, Postleitzahl, Ort, Geburtsdatum – bitte in Übereinstimmung mit der Sozialversicherungsnummer. Die Mails, die ich an den Support von Lead Horizon sende, kommen mit „unzustellbar“ zurück, die Dame, die ich irgendwann über die Hotline erreiche, bietet mir sehr freundlich an, dass ich ihr die Datensätze zusenden könne – was mich als Lehrerin aber den Job kosten könnte, da ich Kinderdaten nie weitergeben darf, und zum Geburtsdatumsproblem meint sie: Hm, das habe sie aber noch nie gehört, ich könne ja einfach eines erfinden…. Welcome to my reality – Mittelschule Wien. 

Fünf Schultage also, sechs positive Fälle, vier Klassen in Quarantäne – und die Schulen im Westen haben noch nicht mal angefangen. 

Wir testen also weiter. Mal mehr mal minder erfolgreich im Erreichen der Plattform. 

Code 428 Too many requests! Really? Womit habt ihr denn gerechnet? Wenn sich eine Million Schüler*innen, Lehrer*innen und weiteres Bildungspersonal, Schulwarte, Sekretär*innen, Psychagog*innen, Sozialarbeiter*innen gleichzeitig am Montag- und Mittwochmorgen testen lassen müssen…? Wir stehen also eine halbe Stunde früher auf, in der Hoffnung, dass um 5:00 Uhr morgens noch ein Slot für uns frei ist, in den Klassen dauert es weiterhin knapp zwei Stunden, die Boxen in der Schule werden um 8:45 Uhr geleert, weshalb wir um 10:00 Uhr zum BIPA um die Ecke hechten….

Und dann gibt es noch die umgeimpften Kolleg*innen, diejenigen, die beim ersten COV-19 Fall K1 sind und in Quarantäne müssen, während die Geimpften zur Belohnung in der Schule Stellung halten dürfen. Mit den 2-5 geimpften Kindern…

Wer sich dieses System ausgedacht hat, stand noch nie in einer Klasse. Wer hier zugestimmt hat, ist dem österreichischen Bildungsalltag so fern, wie ein Alm-Öhi einer Kreuzberger Späti-Cornersession. Wie ein Binnensegler einer Atlantiküberquerung. 

Ja, wir lernen derzeit in der Schule. Wir lernen, dass wir immer als Letzte drankommen. Dass sich niemand so richtig um die Kinder schert. Dass der Bildungsminister in seinem akademischen Elfenbeinturm jeglichen Bezug zur Realität verloren hat und wir das unseren Kindern erklären müssen. Und die Kinder lernen auch. Dass ihre Lehrer*innen komplett überfordert, überfragt und ausgelaugt sind. Dass die „von oben“ vorgegebenen Konzepte leider nur schwer bis gar nicht realisierbar sind. 

Was das mit ihnen macht? Das werden wir in ein paar Jahren sicherlich sehen. 

Die Autorin ist Lehrerin an einer Mittelschule in Wien.

Lesezeit: 4 Minuten

Die Sommerferien sind vorbei, der Schulalltag hat uns alle wieder. Jetzt ist es an der Zeit über die Sommerschule zu berichten, die in diesem Sommer zum zweiten Mal stattgefunden hat. Zu Wort kommen eine Mutter, ein Lehrer und Mittelschul-Schüler*innen, die die Sommerschule besucht haben.

Medine, Sarah, Enes, Osman, Marco, Hadja, Liviana und Elisabeth*

Warum wart ihr in der Sommerschule?

„Meine Eltern haben mich gezwungen. Ferien sind besser.“

„Meine Eltern haben gesagt, wenn du willst, geh. Ich bin gegangen, weil ich meine Noten verbessern will.“

„Ich muss lernen!“

„Ich kann nicht gut Deutsch.“

Was habt ihr gelernt?

„Der Lehrer hat gefragt, wo ich Schwierigkeiten habe. Ich habe Deutsch gemacht, Mathe ist eh einfach. Ich habe Märchen und Geschichten geschrieben.“

„Wir haben Englisch und ein bisserl Mathe gemacht.“

„7 bis 11 Uhr lernen und dann eine Stunde Turnsaal.“

„Ich hatte die Artikel vergessen, also der die das, jetzt weiß ich es wieder.“

„Wir haben gelernt und manchmal gespielt.“

„Wir haben in Deutsch gut gelernt.“

Was gibt es sonst noch zur Sommerschule zu sagen?

„Sommerschule war eh chillig, besser als zu Hause sitzen oder nur im Park sein.“

„Eine Woche ist genug, nur Deutsch und Mathe.“

„Beim Seilziehen haben die Mädchen gewonnen, sie waren mehr.“

„Nächstes Jahr würde ich gehen, wenn es nur eine Woche ist.“

„Am Donnerstag haben wir was gebacken, das haben wir dann gegessen. Am letzten Tag waren wir im Prater.“

„Am ersten und zweiten Tag waren wir alle schüchtern. Am dritten Tag sind wir wieder normal gewesen. “

„Es waren alle urverrückt, die waren wie unsere Klasse.“

„Manche haben geschlafen die letzten zwei Wochen. Und wir sind so um sechs oder sieben Uhr aufgestanden. Wir haben Glück, dass wir früher begonnen haben, vor dem Schulbeginn.“

Frau Berger

Frau Berger ist Mutter von drei Kindern, ihre beiden Töchter wollten oder sollten die Sommerschule besuchen.

„Zwei meiner drei Kinder wurden oder waren in der Sommerschule angemeldet, wie immer man das nennen möchte. Bei der Älteren ist es gleich schiefgegangen, entweder hat sie die Anmeldung nicht direkt abgegeben oder sie ging tatsächlich „verloren“. Ich hatte als Mama jetzt nicht direkt eine Handhabe/Kontrolle darüber. Dafür ist sie jetzt für einen Haufen Geld in einem renommierten Nachhilfeinstitut, sie hat zwei Nachprüfungen. Bei der Jüngeren kam die Teilnahmebestätigung nach laaaaaaanger, absoluter informationsloser Funkstille am 16. Juli daher. Und nun hatten wir das Pech, dass sie in der dritten August-Woche unerwartet ins Krankenhaus musste. Ich hatte kein gutes Gefühl dabei, meine Tochter fünf Tage nach dem Krankenhausaufenthalt gleich wieder in die Schule zu schicken. Ich habe sie krank gemeldet. Jetzt kann sie gar nicht mehr hingehen, weil das Konzept offenbar auf „alles oder nichts“ ausgerichtet ist. Es müssen alle zwei Wochen besucht werden, weil es angeblich ein projektbezogener Unterricht sei. Prinzipiell verstehe ich das schon, aber für meine Tochter ist diese Situation mehr als doof. Ich wollte, dass sie, ob ihrer Zensuren, zumindest eine Art Update in der Sommerschule bekommt. Die Alternative ist, dass sie, so wie ihre Schwester auch die Dienste des Nachhilfeinstituts, wieder für einen Haufen Geld, im Gegenstand Mathematik in Anspruch nehmen muss.

Mein Fazit ist, organisatorisch ist es mit der Sommerschule eher mühsam und undurchsichtig. Fast habe ich den Eindruck, man möchte Menschen dafür strafen, dass sie ein Gratis-Angebot in Anspruch nehmen wollen. Online gibt es kaum Informationen. Auf meine schriftliche Anfrage, wie denn die Vorbereitung auf eine Nachprüfung erfolgen würde, kam eine unbrauchbare Antwort zurück. Als schwierig hat sich die Korrespondenz im Allgemeinen herausgestellt. Bei sämtlichen Mails musste ich zuerst einmal unendlich lang scrollen, bis ich zur eigentlichen Antwort gelangt bin. Es gäbe sicher die Möglichkeit, das Ganze auch über eine Online-Plattform übersichtlich und damit benutzerfreundlicher zu gestalten. Schließlich sollte doch die Ambition sein alle Familien, unabhängig vom Bildungshintergrund, zu erreichen. Was uns bleibt, ist das Nachhilfeinstitut, das uns das Gefühl vermittelt, man würde sich um unsere Anliegen kümmern. Warum das die öffentliche Hand nicht schafft, frage ich mich schon. Vielleicht soll Eltern vermittelt werden, dass sie selbst an schulischen Problemen ihrer Kinder schuld seien. Für uns war es das dann mit Sommerschule, fürchte ich.“

Benjamin ist BHS-Lehrer in Wien

Sommerschule. Eine interessante Erscheinung der Coronapolitik. Angedacht, um Schüler*innen eine zusätzliche Lernmöglichkeit angesichts des Corona Lockdowns im Frühjahr zu bieten. Letztes Jahr wurde sie an unserer Schule (HAK) von Studierenden durchgeführt. Dafür bekamen sie ECTS Punkte. Sie konnten es als EC (Wahlfach) anrechnen lassen. Ich glaube, es war grundsätzlich ein smarter move vonseiten des Bundesministeriums. Günstigere Arbeitskräfte gibt es wohl kaum.

Heuer wurde sie von schuleigenen Lehrer*innen organisiert und gehalten, entgeltlich. Die Bereitschaft im Kollegium hielt sich in überschaubaren Grenzen. Einige wenige meldeten sich nach persönlicher Anfrage. Für die 1. und 2. Jahrgänge der HAS und der HAK wurden Kurse gestaltet. Deutsch, betriebswirtschaftliche Fächer und Mathe bildeten die Schwerpunkte. Schüler*innen erhielten je nach Jahreszeugnisnote und persönlichem Anraten der entsprechenden Fachlehrer*innen eine Einladung. Freiwilligkeit war das Stichwort. Mit Druck wurde sie erreicht. Einige nahmen es dankend an, andere sträubten sich stärker. Unmut gab es vonseiten der Schüler*innen vor allem hinsichtlich des Aufbaus. So mussten Schüler*innen die ganze Woche mehrere Fächer besuchen, obwohl sie nur in Rechnungswesen verstärkten Lernbedarf bzw. eine Einladung bekommen hatten.

Die Durchführung selbst verlief aus meiner Sicht gut. Das Angebot wurde von jenen, die kamen – und das waren doch 2/3 – wohlwollend und gut gelaunt angenommen. Auch meine Kolleg*innen berichteten von einem positiven Lernklima und einer sichtbaren Lernbereitschaft. Ob jedoch eine Woche mit je 4 Stunden Übungszeit entsprechende Wissenslücken schließen, stelle ich stark in Zweifel. Vielmehr ist es, wie so oft in der Bildungspolitik, ein Tropfen auf den heißen Stein. Eine Symptombekämpfung statt einer Systemänderung.

*Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.

Lesezeit: 7 Minuten

Anmerkung: Bei den Schreibarbeiten zu diesem Text kam niemand zu Schaden. So soll es auch beim Lesen sein. Ein etwas anderer Blickwinkel kann aber derzeit nicht schaden. Wenn sich jemand gekränkt fühlen sollte, dann bittet der Autor vorbeugend, nicht nachtragend zu sein, denn dies ist keineswegs die Absicht des Textes.

Der ewige Lockdown

Nun befinden wir uns gefühlt in einem sich selbst ewig verlängernden Lockdown, der nicht wenige bereits in ein Down lockte. Die Maßnahmen sollen noch härter werden. More of the same. Wir werden sehen. Vielleicht wird’s ja noch ein Stopp and Go. Wenn dann die Frisörläden hoffentlich Sommer 2047 wieder dauerhaft ihre Pforten öffnen, benötige ich dringend einen Locken-down, denn die ewigen Corona-Dauerwellen spiegeln sich derweil in meiner Coronafrisur wider, die gerade noch für das Home Office geeignet zu sein scheint. Ich überlege mittlerweile, ob ich nicht das Feature „Mein Erscheinungsbild retuschieren“ aktiviere.
Mein Bart ist auch brav rasiert, die FFP2-Maske fordert Tribut. Vorher sah ich einem Mann ähnlich, jetzt mit der Maske eher einer um Luft ringenden, gerade aufgetauchten Ente. Ich hoffe, meine Schüler*innen erkennen mich wieder, wenn ich sie in der Schule irgendwann treffe.
Ich watschle mit meinem Lockdown-Gewicht und Locken-Gesicht zum Spiegel, überlege mit einer Mischung aus Amüsement und schleichendem Stechschmerz ob des Anblickes folgendes Gedankenexperiment:

Unser Land als Schulklasse

Wie wäre es, wenn wir unser Land mal als Schulklasse betrachten würden? Eine Schulklasse, die unsere Gesellschaft widerspiegelt. Alle Altersstufen, Geschlechter, Religionen usw. kommen ihn ihr vor. Die Regierung: Das wären dann die Pädagog*innen und die Klassenlehrer*innen. Die Schulleitung repräsentiert übergeordnete Stellen. Nun kann ich mich noch sehr gut erinnern, dass ich bei meiner Ausbildung zum Pädagogen unzählige Male lernte, dass Angst – und Schuldpädagogik einer grauen Vergangenheit angehören würden. Differenzierung wäre das Maß der Dinge und eine neue Fehlerkultur wäre neben positiver Motivation Teil des pädagogischen Lern- und Erfolgskonzeptes. In dieser pädagogischen Ausrichtung wären unsere Kinder und Jugendlichen Hoffnungsträger, junge Menschen, die als mündige Bürger in eine freie Demokratie begleitet werden sollten. Alles andere würde zu einem negativen Lernklima führen und das Lernpotential wäre gehemmt. Nun, wie sieht es derzeit aus? Haben wir diese „Lehrer mit Klasse“ im doppelten Sinne?

Die großen Werte in Zeiten von Corona

Um gleich auf den Punkt zu kommen, ich beobachte Folgendes: Diese großen Werte wurden mit der Corona-Krise über Bord geworfen bzw. umgedeutet. Alte Werte sind das neue Maß. Das Kind wurde nicht nur sprichwörtlich, sondern buchstäblich mit dem Bade ausgeschüttet. Gleich zu Beginn der Krise fand sich das spektakuläre interne Strategiepapier der deutschen Regierung. Wenn wir bei unserem Vergleich bleiben, dann wäre dieses wie der neue „pädagogische Maßnahmenkatalog“ des fiktiven Bildungsministeriums für unsere Schulklasse. Nun, was findet sich in diesem? Unter 4a werden „Worst-case-Szenarien“ als Mittel der Wahl empfohlen. Qualvoller Erstickungstod, arbeiten mit Urängsten, Schuld am Tod der Großeltern usw. werden als pädagogische Schock-Maßnahmen in diesem staatlichen Lehrplan beworben. Das Papier ist eigentlich eine verdeckte Wegkarte zum Traumatherapeuten der Wahl. Diese neuen Richtlinien spiegeln sich in den Unterrichtsmedien wider, die die Schüler*innen, also wir alle, konsumieren.
Die medialen Beiträge richten nach unten, statt aufzurichten. Und das stündlich, täglich – seit Monaten.

Die neue Expertokratie

Expert*innen werden zu Rate gezogen. So viel, dass wir von einer Expertokratie der ewig selben Expert*innen sprechen können. Gut, die Lage ist prekär. Die Schule kennt diese Vorgehensweise mit Expertisen nur allzu gut, besonders dann, wenn Expert*innen ihre Einschätzung aus Elfenbeintürmen verkünden. Diese sprechen nun aber keine tröstlichen Worte, sondern Monate hindurch wiederkehrende drostliche. Und natürlich irgendwie weltfremde. Eine einzige tröstliche Botschaft in all den Monaten? Fehlanzeige. Ausschließlich drostliche.
Ich merke meine Sehnsucht nach positiven, differenzierten Beiträgen, nach denen ich mich recke und strecke. „Bist du noch bei Drosten, Gates noch?“, muss ich mir daraufhin von empörten Mitbürger*innen anhören. In der Klasse herrscht ausschließlich Frontalunterricht. Keine Differenzierungsmaßnahmen mehr. Klassenfahrten, Praktika, Sprachreisen, Schullandwochen usw. werden gestrichen. Andere Klassen dürfen nur in Ausnahmefällen besucht werden. Besonders über die Schwedenklasse lästert man. Die Klassenkassa dünnt langsam aus. Der Kompetenzkatalog wird gerade noch abgehakt. Immerhin sollen wir noch funktionieren.

Ab nach Hause!

Aufgrund der Gefahr für die älteren und vorbelasteten Schüler*innen werden nun alle Schüler*innen nach Hause geschickt. Fernlernen ist angesagt. Eine ältere Klassenkollegin meint: „Warum bleiben die Jüngeren nicht hier? Ich hab nichts davon, wenn die auch alle nach Hause müssen. Außerdem fehlt dann Geld in der Klassenkassa.“ Ihre Wortspende wird als unsolidarisch und zu wirtschaftsfreundlich abgeurteilt. Jeff, der mittlerweile die Schulbücherei und vieles mehr übernommen hat, lächelt, während er seine Bezos zählt. In die Klassenkassa zahlt er nichts ein. Wenn wir zu Hause brav sind, dann kommt auch das Christkind und später der Osterhase, wird uns erklärt. In Österreich werden sogar Babyelefanten zum Abstandhalten verschenkt. Später gilt der Bildungsminister als genormtes Abstandsmaß. Ein „Faßmann“ ist dann gleich so viel wie zwei Meter. Zwei Meter Abstand? Echt? Ich genehmige mir einen Flachmann.

Testen, testen, testen!

Weiterhin lernen alle dasselbe. Differenzierung zählt nun als unsolidarisch, das „Über- einen- Kamm-scheren“ als die neue Solidarität. Wer besonders heftig Angst verspürt, gilt ab jetzt als empathisch und wird hervorragend benotet. Generell dominiert nun, was in der Schule schon seit einigen Jahren gelebte Praxis ist: testen, testen und nochmals testen. Flächendeckend. Nach PISA nun der PCR-Test. Nach OECD nun WHO. Klassenrankings werden auf Dashboards im Dauertakt in den leitenden Unterrichtsmedien veröffentlicht. Die Tests sind teuer, die Stäbchen der neue Maßstab.

Umkehrung der Werte

Negativ gilt plötzlich als positiv. Die alten Werte sind die neuen. Die ehemals hinten rechts Sitzenden kämpfen zur Überraschung der Freiheitsliebenden aggressiv für Grund- und Präsenzrechte. Die Kritischen, die früher gerne friedlich links vorne neben dem offenen Fenster saßen, müssen in Zukunft auch bei denen hinten rechts sitzen, meinen die Lehrer*innen. Moralisch sich upgradende Denker lesen nun ausschließlich Leitmedien. Die Welt ist kehrvert. „Sie sind mit Abstand die beste Klasse!“, läuft als Werbeslogan über die Bildschirme. Vor einem Jahr wäre diese Aussage noch positiv konnotiert gewesen. Jetzt isoliert uns diese Botschaft. Noch dazu kein Singen, Tanzen, Umarmen, laut Lachen, Feiern. Ein „Aerosolemio“ – und schon schwingen sich die Aeorosole zu einem Tröpfchencluster hoch.

Ökonomisierung der Schule

 „Wir sollten das lehren, was uns von Robotern unterscheidet“, hatte Jack Ma einmal gemeint, als er noch seine Meinung sagen durfte, ohne untertauchen zu müssen. Oder untergetaucht zu werden… Die Klasse, ja die ganze Schule wird ökonomisiert. Neue Leute geben den Ton an, wie die personifizierte Daueralarmglocke von Charité. Oder Bill, der neue Freund, der große Bruder und reiche Onkel. Er kennt sich bei Viren aus. Durch sie lassen sich nach Resets immer wieder neue, beherrschende Betriebssysteme verkaufen und implementieren. „Kann man Freunde kaufen?“, will jemand beim Fernlernen über Teams wissen, das irgendwie auch zu Bill gehört. „Nein, keine echten. Aber dafür der Titel Menschenfreund.“ „Kann man sich dann noch in den Spiegel schauen?“ „Oja, für 2,5 Millionen Dollar. Kein Problem.

Wir sind zu Virenträgern geworden, potentielle Gefährder

Die Jüngsten unter uns mutierten sogar vom Hoffnungs- zum Virenträger. Sie leiden, meist stumm. Selten an der Krankheit, oftmals an der Angst, Schuld und Einsamkeit. Sie tragen den Lockdown mit. Und sie tragen die Gesundheits-, die Schulden- und die Umweltlast. Zumindest in der Zukunft. Hoffentlich sind sie dann nicht nachtragend. Vorbeugend werden sie jedenfalls zuhause gelassen, viel zu viele finden sich jetzt in einem psychischen Knockdown wieder. Die Schulpsychologie muss immer wieder triagieren. Wie das Verlassen des Beichtstuhls empfinden einige das Gefühl nach einem negativen Corona-Test. Negativ ist gleichbedeutend mit einem sündenlosen Körper. Sind Virologen auch mutiert – zu unseren neuen Hohepriestern im weißen Kittel in heiligen Laboren, das patentierte Orakel namens PCR-Test befragend? „Wenn ich das Orakel mehr als dreißig Mal befrage, erhalte ich ziemlich sicher eine positive Antwort“, erklärt Robert, der gerade seine eigene Suppe in seinem Labor kocht.

Die Fehler-Politik

Stündlich erfahren wir, welche meist älteren Klassenkollegen wieder verstorben sind. Es ist sehr traurig. Das Durchschnittsalter beträgt über 80 Jahre, aber natürlich sterben manchmal auch Jüngere. Wir konzentrieren uns im Unterricht auf Todesfälle und Erkrankungen. Es ist beängstigend. Ich weiß noch, wie vor Jahren an den Schulen begonnen wurde, bei Tests die korrekten Ergebnisse zuerst auszuweisen, danach die Fehler. Unsere Corona-Lehrer*innen aber wurden von der Direktorin mit einem säuerlichen Lächeln angewiesen, ausschließlich die Fehler zu veröffentlichen. Die korrekten Antworten werden ausgeblendet. Die Verbesserungen auch. Alles wird von einem Experten – ich nenne ihn mal Johns – auf einer speziellen Tafel, einem sogenannten Dashboard, international ausgewiesen. Die Fehler wachsen und wachsen.
Der Ausblick ist düster. Positives Denken und Optimismus gelten mittlerweile als psychische Erkrankungen. Bei Fehlverhalten werden nun auch die Mitschüler*innen jedes Alters angehalten, dies unverzüglich der Schulleitung zu melden.

Ein neues Schulfach wird eingeführt: Virologie

Ökologie, Psychologie, Soziologie, politische Bildung, Geschichte werden vom Lehrplan gestrichen. Neue Wissenschaftlichkeit nennt sich dies. Orchideenfächer wie Musik, Sport und Werken werden abgeschafft. „Sind die alle verwirrt? Das ist doch ein lupenreiner Tunnelblick“, findet ein Klassenkollege. „Wir sind alle schon ver-virt“, gebe ich bei der Videokonferenz zur Antwort. „Bald haben wir einen Lach-down.“ Der Lehrer verwarnt mich, als ich noch von „Wirr-ologie“ und vom Wirt rede, den ich dringend brauche wie ein Virus. Als ich dann behaupte, Corona wäre mittlerweile mehr Spaltpilz als Virus, beschimpft er mich als Verschwörungstheoretiker und stummt mich. Der Lehrer erklärt dann noch, dass die Grippe heuer keine Chance habe. Ein Schüler, der ihn daraufhin „Influenza-Leugner“ nennt, wird auch gestummt. Eine Klassenkollegin, die gesteht, dass das Unter- und Nachrichten sie nach unten drücke, drückt der Lehrer weg. Neue Toleranz und Liberalität nennt er dies später. Da eh alles verdreht zu sein scheint, verdrehe ich die Buchstaben von Pfizer und öffne den Drehverschluss von meinem Zipfer.

Unter-richten statt aufrichten

Eine Zeitung im Süden Deutschlands interviewt Bill. Er freue sich schon auf die nächste Pandemie, meint er. Zehnmal stärker werde sie. Ich sehe ihn lächeln. Wieso weiß er das? Die neue Realität also. Unterrichten statt aufrichten. Das neue pädagogische Konzept. Wer dagegen aufbegehrt, gilt als empathielos und intelligenzfrei. Außerdem wären Menschen schlechte Wirte. Technokraten würden uns schon in optimierte Maschinen verwandeln, dann hätten wir das Potential, auch Computerviren zu tragen. Neuroverlinkte Doppelvirenträger. Schöne, neue Welt. Die neue Normalität. „Wir müssen einfach besser zurückbauen“, meint der Klaus vom Schulforum. Er ist wieder mal in eine Besprechung geschwabt.

Ausblick

Zum Schluss aber wagen wir aber doch einmal einen unverschämt positiven Blickwinkel: Stellen wir uns vor, die Pädagog*innen und Expert*innen führen uns statt in den Nebel in das Leben.
Vielleicht haben sie das Wort Nebel nur verkehrtherum gelesen, weil gerade alles etwas kehrvert läuft? Sie haben ab jetzt bei allen Maßnahmen die Verhältnismäßigkeit im Auge, ohne zu verharmlosen. Sie geben ermutigende Ziele vor und glauben an die Schüler*innen. Neue Expert*innen erscheinen auf den Bildschirmen. Nicht mehr jene, deren Botschaft auf uns hereinprasselt wie ein mitleidloser lauter Bach, uns in Formation bringend. Sie begeistern uns für eine achtsame, gesunde und ökologische Lebensweise und sehen die Krise als Chance. Sie wissen: Wir sind freie Wesen mit unantastbarer Würde. Sie erklären, wir sollten den Wirt heilen und nicht das Virus bekriegen. Sie wissen auch um die Weisheit des ungesicherten Lebens. Die neuen Lehrer*innen lassen die Jüngeren unter uns wieder leben und schützen die Älteren besser und transparenter als die Monate zuvor. Sie leben Differenzierung, Pädagogik ohne Angst, positives Denken, wertschätzende Beurteilungen.
Sie halten Versprechungen ein und sehen die Jüngsten als Hoffnungs- statt Virenträger.

Ich sehe vor meinen Augen die derzeitigen Pädagog*innen – und male mir aus, ob sie das schaffen. Mir wird schwarz vor Augen.

Vielleicht könnte eine verpflichtende psychotherapeutische Begleitung für diese Pädagog*innen helfen. Behandeln wir nicht ständig psycho-therapeutisch sowieso die Falschen? Vornehmlich jene, die an den kranken Maßnahmen erkranken? Bevor wir die Pädagog*innenen in diesem Beispiel therapieren – sollten wir uns nicht davor noch schnell von den Psychopath*innen verabschieden und diese isolieren? Wie wäre es mit Psychopath*innen-Tests bei unseren Lehrer*innen? Wahrscheinlich ist der neue Anal-Abstrich aus China für solche Tests gedacht. Vielleicht bräuchten wir dann kaum noch Therapien, da zu viele Ärsche positiv auf den Psychopath*innen-Test getestet würden. Dann bekommt die „Heimquarantäne“ auch wieder eine andere Bedeutung. Und sogar die Spritze.

Auf einen neuen Weg raus aus dieser Krise!

Mit dem alten Richten nach unten wird’s ganz sicher nichts. Mit den alten und echten Rechten, die nach Freiheit grölen und das Recht mit Füßen treten, auch nichts. Und was machen wir, wenn die jetzigen Pädagog*innen weiterhin nicht als gute Hirten taugen? Wir führen uns selbst aus dem Sumpf und richten uns auf. Wir verzichten auf Lehrkräfte, die nach unten richten. Wir lernen aus eigener Kraft. Wir wissen die Richtung. Die Reise beginnt mit dem Selbstwert. Die neue Pädagogik ist unser Kompass. Und bei dieser begleiten in Zukunft die Lehrer*innen nur mehr. Sie richten nicht. Höchstens auf!

Gerald Ehegartner ist Lehrer an einer Mittelschule in Niederösterreich.

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Auf einen Schulstart im September folgte ein Lockdown im Herbst. Kurz vor Weihnachten wuselte es dann für wenige Wochen wieder in den Schulen, bevor sich die Weihnachtsferien mit dem darauffolgenden Lockdown und den Semesteferien zu einem Einheitsbrei vermengten. Schließlich ging es vom Schichtbetrieb zurück in den Lockdown (im Osten) und wieder zurück in den Schichtbetrieb. Nun, endlich, in Schulwoche 37 (von 43) ist ein kleines Stückchen Normalität im Schulalltag in Aussicht. 

Wir haben Lehrer*innen gefragt, wie sie zu den Schulöffnungen stehen und was sie sich vom kommenden Schuljahr erwarten. 

Fühlst du dich für eine Rückkehr zum Normalbetrieb ausreichend geschützt und sicher? 

Tom*: Ja, ich fühle mich ausreichend geschützt und sicher: Ich habe die 1. Teilimpfung, desinfiziere mich regelmäßig und trage den ganzen Tag eine FFP2-Maske.

Theresa: Yep, ich finde wir brauchen unbedingt eine gute Balance aus Schutz vor körperlichen Krankheiten und Schutz vor psychischen. Ersteres tun wir mit dem Testen der Kinder jeden zweiten Tag und dem täglichen Nasebohren der Lehrer*innen durchaus (bei den Schulleitungen fehlt mir allerdings etwas das Verständnis für deren eigene Verantwortung). Gleichzeitig müssen wir zweiteres – den Schutz vor psychischem Knacksen – mehr ins Licht rücken. Und dazu zählt für mich absolut ein „normaler“ Umgang miteinander – spielen, lachen, blödeln und das Erzeugen eines Gemeinschaftsgefühls, anstatt voreinander Angst zu haben. 

Ilsa: Mit meiner Impfung und der Maskenpflicht fühle ich mich nun im Gruppenunterricht gut geschützt – wir haben sehr gute Lüft-Möglichkeiten und es wird wärmer, das heißt wir können die Terrassentüren der Klassen immer hoffen halten (wir haben das Privileg von Terrassen bei jeder Klasse).

Wie finden die Schüler*innen die Schulöffnungen? 

Tom: Bis auf ein paar wenige, die lieber im Distance Learning bleiben möchten (die meisten von ihnen schaffen es auch super zu Hause), freuen sich die Schüler*innen wieder auf die Öffnung. Ich unterrichte heuer vor allem 1. und 2. Klassen – und da sind auch aktuell schon viele zur Betreuung in der Schule. Sie freuen sich jetzt auf einen geregelten Schulbetrieb, vor Corona hat eigentlich (fast) niemand der Schüler*innen Angst. Viele sehen die Maßnahmen eher als „unnötig, weil Corona ja eh nicht so gefährlich ist“.

Theresa: Großer Jubel! Die Schüler*innen fiebern einem Schulalltag, der diesen Namen auch verdient, sehr entgegen. Auch wenn einige herausgefunden haben, dass Distance Learning ihnen auch liegt, so fehlt der soziale Bezugsrahmen Schule schon sehr.    

Ilsa: Die Kinder selbst sprechen davon, dass sie eigentlich lieber im Gruppenunterricht bleiben würden – auch sie haben erkannt, wie angenehm es in der Klasse ist wenn die Lehrkräfte nicht die Hälfte der Stunde mit Classroom Management verbringen müssen, damit ein gutes Lernklima in der Klasse herrscht. Und da wir Hybrid-Unterricht machen können (und auch die technischen Möglichkeiten dazu haben), fühlt sich kein Kind „verlassen“. Auch der Stoff leidet bei uns überhaupt nicht. Im Gegenteil, so konzentriert und intensiv konnten wir vor der Pandemie nicht arbeiten ;-)

Wie glaubst du wird der Unterricht in der ganzen Klasse wieder sein? 

Tom: Ich freue mich wieder auf den Unterricht mit der ganzen Klasse. Erstens, weil der ganze organisatorische Wahnsinn (Welche Gruppe macht gerade was?, Welche Aufgabe gebe ich den Schüler*innen im Distance Learning?,…) endet und zweitens, weil wieder mehr „Energie“ ins Klassenzimmer kommt. Außerdem ist es für die Schüler*innen gut, wenn sie wieder eine Regelmäßigkeit haben. Jetzt kommt es einem so vor, dass für manche die 2 Tage Präsenzunterreicht schon „schwer zu schaffen sind“ und dass sie gefühlt 5 Tage „frei haben“. Außerdem habe ich bei meinen Schüler*innen gemerkt, dass sie viel öfter etwas vergessen (Schulsachen, HÜ,…), eben ihnen weil der Schulalltag und die Routine fehlen.

Theresa: Ich hoffe sehr, dass die Vorzüge der Kleingruppen an möglichst vielen Punkten erkannt werden und bestehen bleiben. Sobald wieder in der ganzen Klasse gearbeitet werden kann, hoffe ich auf viele Möglichkeiten wieder am Zusammenhalt und an der Gemeinschaft arbeiten zu können – weniger Lehrplan, mehr Wachstum sozialer Kompetenzen. Das kann heißen, dass mehr projektbasiert gearbeitet wird, Gruppenarbeiten und Lernen und Erfahren draußen stattfindet. Ich hoffe, dass „normaler“ Unterricht nicht alle dazu verleitet möglichst alles an Stoff aufholen zu wollen, was jetzt vielleicht zu kurz gekommen ist, besonders nicht die verbliebene Zeit wieder mit Schularbeiten und Tests vollzustopfen. 

Ilsa: Dass wir wieder alle gemeinsam in einer Klasse sitzen macht mir nicht nur wegen Corona Kopfzerbrechen. In Gruppen zu unterrichten war bei uns ein Gewinn! Die Kinder waren hochkonzentriert, es war eine viel ruhigere Klassenatmosphäre, ein super-tolles Arbeitsklima und wenig Interventionen beim Classroom-Management nötig.

Außerdem haben wir die Kinder, die gerade Home-Schooling-Tage hatten, immer per Video-Call dabei. D.h. niemand wurde bei uns an keinem Schultag alleine zu Hause gelassen – alle wurden mitgenommen. Entweder tatsächlich in der Schule oder per Video-Call.

Was wünscht du dir für September? 

Tom: Für September wünsche ich klare, geregelte Rahmenbedingungen – wie Schule funktionieren kann, was erlaubt und vorgeschrieben ist, und vor allem was wann passiert. Ich hoffe, dass wir es schaffen, dass die Schulen ohne Schichtbetrieb auskommen werden. Persönlich finde ich es besser, wenn wir – falls notwendig – lieber komplett für kurze Zeit auf Distance Learning umstellen und dann wieder Normalbetrieb haben.

Theresa: Ich hoffe sehr, dass im September in ein Schuljahr gestartet werden kann, das weniger Instabilität für die Kinder bedeutet, das aber gleichzeitig von all den Vorzügen profitieren kann, die dieses aktuelle Schuljahr mit sich gebracht hat: Arbeiten in kleineren Gruppen, Nutzung digitaler Möglichkeiten, Einbindung der Informationen, die das Internet zur Verfügung stellt, freiere Auslegung von „Unterricht“, Fokus auf das Wesentliche, Lernen für das Leben statt für die Schularbeit, verstärkter Austausch untereinander und auch schul-, länder- und branchenübergreifend, Aufgabenverteilung anhand von Fähigkeiten anstelle von Hierarchien…

Ilsa: Ich denke über den September hinaus: Ich würde mir generell wünschen, dass die Pandemie die Diskussion über Klassengröße und Unterrichtsformen wieder aufleben lässt. Mirschwebt vor allem das Umdenken von 50 Minuten Einheiten in Projekt-Einheiten vor. Das macht im 21. Jahrhundert viel mehr Sinn. Auch verpflichtende Online-Call-Stunden sollte es weiter geben, die Kinder haben dadurch unglaubliche digitale Skills entwickelt, die hätten sie ohne die Pandemie nie so schnell erlangt.

Die sogenannte „digitale Grundbildung“ gibt es zwar schon seit Jahren, aber sie hat de facto nicht stattgefunden, das hat der Beginn der Pandemie eindeutig gezeigt. Die digitalen Skills aller (Schüler*innen wie Lehrkräfte) waren erschreckend gering. Jetzt, ein Jahr später, hat es sich meiner Meinung nach sehr geteilt: die einen haben einen Timewarp geschafft, die anderen wurschteln immer noch mit Kopierzetteln und Wochenaufgaben herum. Mit verpfichtenden Online-Call-Sessions würde man auch die Digitalisierung an Schulen vorantreiben. Dass es noch Schulen ohne funktionierendes WLAN gibt, ist in Wirklichkeit ein Skandal! Vor allem wo doch ab nächstem Jahr alle 1. und 2. Klassen digitale Devices bekommen sollen. Wie sollen sie dann ohne Internet arbeiten?!

Ich weiß, das sind sehr progressive Gedanken, aber ich sehe diese Pandemie als Chance das System Schule WIRKLICH neu aufzustellen, keine „Reförmchen“ mehr, sondern wirklich die Grundstruktur zu verändern und Schule neu zu denken! Wir sollten nicht wieder zum Massen-Klassen-Frontal-Unterricht der letzten 300 Jahre zurückkehren, als wenn es das vergangene Jahr nicht gegeben hätte.

*Name von der Redaktion geändert.

Tom, Theresa und Ilsa sind Lehrer*innen an Mittelschulen in Wien.

Lesezeit: 4 Minuten

Sind doch nur ein paar

1,7 Prozent von 100 Prozent erscheinen auf den ersten Blick nicht viel. Wer kümmert sich schon um 1,7%, schließlich läuft bei 98,3% alles gut. Nur keine Wellen! Nur keine Aufregung! Einer österreichischen Tageszeitung war diese Zahl zumindest eine kleine Schlagzeile wert. 1,7 Prozent der österreichischen Schüler*innen verweigern zurzeit die Testung, die ihnen die Teilnahme am Präsenzunterricht ermöglicht. In der Volksschule stellen sich die Eltern quer, in der Oberstufe die Schüler*innen selbst.

Was all jenen von offizieller Stelle klar kommuniziert wurde: Es besteht in diesem Fall kein Recht auf Betreuung von Seiten der Schule.  Es wird auch bei der Benotung am Jahresende nicht die viel zitierte Milde zur Anwendung kommen. 

Lehrer*innen und  Schulleiter*innen sind angehalten, nicht zu viel nachzufragen. Frei nach dem Motto: Gut, dann kommt das Kind eben nicht, und verliert eben ein Schuljahr.

Warum kein Test?

Warum wollen manche Eltern nicht, dass ihre Kinder getestet werden? Was treibt sie an? Warum nehmen sie nicht die Chance wahr, der Testung des Nachwuchses beizuwohnen?

Ja, es gibt unterschiedliche Gerüchte und Mythen, auf die ich an dieser Stelle gar nicht mehr näher eingehen will.  Es ist nicht in meinem Sinn, einen verfahrenen Diskurs neu zu beleben. Ich bin auf der Suche nach Lösungen.

Verhärtete Fronten

Die Fronten sind verhärtet.  Zwischen, „na gut dann nicht“ und „mein Kind sicher nicht„, gibt es wenig Platz. Aber wie soll das weitergehen? Denn Test und Masken werden auch im Herbst 2021 Thema sein. „Das Corona Virus ist gekommen, um zu bleiben,“ lautet die realistische Einschätzung der Expert*innen. Was passiert in weiterer Folge mit den Kindern und Jugendlichen, die schon seit Monaten auf dich selbst und/oder auf ihre Eltern angewiesen sind? In Österreich gibt es eine Unterrichtspflicht und keine Schulpflicht. Theoretisch ist es erlaubt die Kinder zuhause zu beschulen. Am Ende des Semesters beziehungsweise des Schuljahres müssen Prüfungen abgelegt werden. Diesen Weg sind Eltern schon vor der Corona-Krise gegangen. Aber handelt es sich hier um die beste Möglichkeit, wenn diese einer Not oder einer trotzigen Haltung gehorcht? Wie viele Chancen haben jene Kinder tatsächlich, wohlbehalten und sicher durch das Schuljahr zu kommen? Wie gut lernt es sich unter Anleitung von Eltern, die kein Vertrauen mehr in das System haben? Welche Lernerfolge sind zu erwarten, wenn auf der anderen Seite Kolleg*innen stehen, denen dieser Umstand egal ist? Die mit den Schultern zucken und meinen „dann werden diese Kinder und Jugendliche eben das Jahr wiederholen müssen“.

Das Gespräch suchen

Ich gestehe an dieser Stelle, dass meine Kommunikationsbereitschaft mit Corona-Leugner*innen sehr schwach ausgeprägt ist. Ich stoße an meine Grenzen. Mir fehlen die Argumente. Aber in diesem Fall geht es nicht um meine Befindlichkeiten, sondern um Kinder und Jugendliche, denen viel mehr als die Vermittlung von Inhalten entgeht. Denn spätestens seit dieser verfluchten Pandemie haben die meisten Menschen begriffen, dass Schule viel mehr ist als ein Ort der ausschließlichen Wissensvermittlung; ein Ort an dem jedes Kind wichtig ist.

Selbst wenn es schwer fällt, die Institution Schule muss das Gespräch suchen. Auch dann, wenn die Lehrer*innen angehalten wurden Diskussionen zu vermeiden. Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen, hat vor vielen Jahren Erich Kästner geschrieben. Die Zeiten sind außergewöhnlich.

Mögliche Strategien

Zuerst sollten wir, also die Institution Schule, überlegen wie gut wir die betreffenden Eltern kennen. In weiterer Folge lohnt es sich die Perspektive zu wechseln. Viele Eltern sind verunsichert, verstehen vieles immer weniger. Das kann ich nachvollziehen. Wie war das mit K1 und K2. Wann bin ich K1, wann nicht? Ich bin geimpft, trage Maske, hab eine positive Schülerin nur 15 Minuten in der Klasse gehabt. Was ist mit den Klassenkolleg*innen? Sind die K1 oder nur jene, die in der Nähe des Kindes sitzen? Ein Test ist positiv, der andere negativ. Was nun? In diesem „Dschungel“ finden sich nicht nur 1,7 Prozent schwer zurecht. Was? Wie? Warum? Ja oder nein? In all dieser Verunsicherung erklärt dann zum Beispiel ein Nachbar oder eine beste Freundin, dass das alles Quatsch wäre. Dass die Nachbarin jemanden kennt, der kennt auch jemanden und der hat einen entfernten Verwandten, dessen Vater angeblich an Corona verstorben ist, aber dem war gar nicht so. Also, alles Lüge. Es ist der Gesamtsituation geschuldet, dass an den Stellen nach Hilfe gesucht wird, die einfache Lösungen für komplexe Probleme scheinbar aus dem Ärmel schütteln. Das ist und war immer die Masche derjenigen, die verwirrte Menschen für abartigen Theorien begeistern wollen. Es hilft auch nichts in diesen Situationen etwaige Machtgefälle in den Fokus zu rücken. Im Sinne von: Ich bin die Lehrerin. Ich weiß am besten Bescheid. Das werden Sie doch verstehen! Jede Wette, dass die angesprochenen Eltern sofort auf Abwehr gehen, das Kind einpacken und beleidigt das Gespräch abbrechen. Im schlechtesten Fall drohen diese dann mit Anwalt und Behörden. 

Hilfe zu holen ist ein Schritt, der vielen Lehrer*innen nicht leicht fällt. Irgendwie haben wir uns daran gewöhnt, dass wir vieles im Alleingang lösen müssen. Im Hinterkopf haben wir, dass es ein Zeichen von Schwäche sein könnte, Kolleg*in XY um Rat zu fragen. Kommt das denn gut, die Kolleg*in zu ersuchen, ein heikles Gespräch zu übernehmen, weil die eigenen Grenzen erreicht sind? Was zur Hölle wird er oder sie denken?

Wäre ich besagte Kollegin, ich würde mich in erster Linie wertgeschätzt fühlen. Mir würde das Vertrauen, das mir in diesem Fall entgegengebracht wird, viel bedeuten.  Ich würde auch jene Kollegin bewundern, die klar sagt, ich kann das nicht. Schwächen zuzugeben ist kein Makel.

An den meisten Schulen gibt es Sozialarbeiter*innen und/oder Psychagog*innen. Sie könnte man zu Hilfe holen, weil sie andere Möglichkeiten des Zugangs zu Eltern und Schüler*innen haben. Oberste Prämisse sollte sein, dass jene Eltern und Schüler*innen spüren, sie werden mit all ihren Bedenken und Anliegen ernst genommen.  Dass die Institution Schule das Kind, und nicht persönliche Befindlichkeiten, in den Vordergrund stellt. Behutsam, wertschätzend und möglichst frei von Vorwürfen könnte man vermitteln, wie wertvoll die/der Schüler*in für die Klasse ist. Dass Freund*innen ihn oder sie vermissen. Dass man die Eltern, wie schon erwähnt, auch zum Teil versteht. Grundvoraussetzung ist natürlich, dass all das ernst gemeint ist. 

Es gilt verhärtete Fronten aufzuweichen, und nicht einen kaputten Karren weiter an die Wand zu fahren.

Und wenn das alles nicht hilft?

Garantie, dass diese Ideen funktionieren, gibt es keine. Wenn sich Eltern tatsächlich völlig querlegen, dann wird es problematisch. Wie ich persönlich in diesem Fall reagieren würde? Ich würde den Eltern und ihren Kindern nicht jegliche Unterstützung verweigern, nicht alle Türen beleidigt zuschlagen. Selbst wenn alles wild verfahren ist, die Kinder sind die Leidtragenden. Also würde ich diese, im Rahmen meiner Möglichkeiten, unterstützen, solange bis das Kind wieder in die Schule kommen darf oder möchte.

Maria Lodjn ist Lehrerin an einer Mittelschule in Wien.