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wachsende Pflanzen

ABER BITTE SOLCHE!

Das neue Schuljahr hat begonnen, und da wir eine Schule im Aufbau sind, erhielten wir neun neue Kolleg:innen. Als sehr moderne und großzügig gestaltete Schule sind wir vermutlich ein attraktiver Standort, wir konnten uns jedenfalls dieses Jahr – in der Lehrer:innenmagelära! – die neuen Kolleg:innen teilweise sogar aussuchen. 

Und ich muss sagen: Welch großes Glück!

Ab Dienstag, dem 27.08.2024 wurde an unserer Schule täglich gestaltet, dekoriert, geplant und organisiert. Ein Klassenraum sieht aus wie Hogwarts, inklusive Mauer mit Gleis 9 3/4 und fliegender Kerzen unter der Decke. Ein anderer sieht aus wie schöner Wohnen für 12-jährige – alles bunt, selbstgemacht und dekorativ stimmig. 

Teamwork makes the dream work

Unsere Teamräume werden täglich mit Frischgebackenem oder kleinen zuckerhaltigen Aufmerksamkeiten für die letzten Nachmittagsstunden bestückt. Morgens ab 07:00 sitzen die ersten schon bei einer Tasse Kaffee zusammen und planen den Tag, besprechen wertschätzend die Schüler:innen oder planen Ausflüge. Selbstgekochtes wird angeboten und wer sich einen Moment zurückziehen möchte, legt sich auf die bereitgestellte Polsterbank. Ein breites Spektrum an selbstgekauften Stiften und Büromaterial laden zum kreativen Arbeiten ein. Irgendwer hat – da Ganztagsschule- immer Zeit für einen Ideenaustausch oder einen kollegialen Plausch.

Teamausflüge, die Grillen und Bootfahren involvieren und deren Kosten alle selber tragen, werden geplant. Die Konferenzen – ohne viel Gerede mit wenig Inhalt- sind kurz und prägnant, dafür gibt es einen kulinarisch-geselligen Ausklang auf einer der Terrassen. 

Die neuen und oft (für mich) absurd jungen Kolleg:innen sind nicht nur hochkompetent, engagiert, freundlich, fröhlich, fleißig, resilient und reflektiert, sie sind auch wahnsinnig tough. Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit ist hoch, die gegenseitige Wertschätzung und Hilfsbereitschaft noch höher. Und die eine, die schnell merkt, dass es ihr einfach doch zu viel ist, und die Hochschule sie möglicherweise nicht ausreichend vorbereitet hat, kündigt kurzfristig anstatt in den langfristigen Krankenstand zu gehen. Auch das ist eine Kompetenz, die wir ihr hoch anrechnen. 

All die Medienberichte über die kolportiert „faulen“ Lehrkräfte – ich weiß nicht wo sie sind, aber nicht bei uns. Teamwork und Teamteaching sind nicht nur Schlagworte des Bildungsministeriums sondern werden hier wirklich gelebt. 

Vielfalt in allen Bereichen

Ja, es ist heiß! Ja, unsere Kinder sind bis 16:30 Uhr in der Schule. Unser Garten hat zu wenig Schatten. Aber unser Team leuchtet von innen. Und das vor allem, weil wir gelebte Vielfalt sind. Wir haben Quereinsteiger aus der medizinischen Markt- und Meinungsforschung, Mathematiker im ersten Semester, internationale Juristinnen, Teach for Austria Fellows, die vorher beruflich Rapper und Jugendarbeiter waren, wir haben blutjunge Uniabsolventinnen, die Badass-Lehrerinnen sind. Wir haben eine junge und unkonventionelle Schulleitung, die komplett hinter ihrem Lehrkörper steht, wir haben Röcke tragende Lehrer, deren helle und wehende Haare nur von ihrer fachlichen Kompetenz und Begeisterung überholt werden. Unsere Altersspanne reicht von 22-62 Jahren, und jede:r lernt von dem/der anderen.

Ethnien, Religionszugehörigkeit, Gender, sexuelle Orientierungen  –  was man in der Gesellschaft findet, gibt es auch bei uns. Sowohl bei den Schüler:innen als auch unter den Kolleg:innen. Fast keine Sprache unter den SuS, die nicht auch von einer Lehrkraft gesprochen wird- und umgekehrt. 

Aber ob das die Ursache ist? Oder ob es eher das Mindset ist? All die Werte, die wir unseren Kindern vorleben wollen: Hilfsbereitschaft, radikale Toleranz, Respekt, Höflichkeit, Verständnis-

All das sehe ich im Team. Und darum gehe ich jeden Tag gerne zur Schule. Und die meisten unserer Schüler:innen hoffentlich auch!

Die Autorin ist Lehrerin an einer Wiener Mittelschule.

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Eine Onlinediskussion unter Kolleg*innen

Für gewöhnlich bin ich alles andere als ein emotionaler Mensch. Ja, viele Leute, die mich kennen, finden es teilweise verwunderlich, was mich so alles nicht aufregt. Und doch gibt es vereinzelt Momente, in denen jemand offenbar eine Saite in mir zum Schwingen bringt, die mich verhältnismäßig menschlich erscheinen lässt. So erst neulich.

Da las ich in einer Lehrer*innengruppe eines so genannten sozialen Mediums die Frage einer Kollegin, wie denn am besten einem Elfjährigen zu begegnen sei, der die Mitarbeit im Unterricht komplett verweigert, also nicht mitliest und –schreibt. Die Antwort einer anderen Dame lautete wörtlich: “Ich würde, nach einem Elterngespräch, die Strategie des Jungen respektieren. Er scheint ja bereit zu sein, die Konsequenz (entsprechende Note) hinzunehmen. Lassen Sie ihm seine Entscheidung.

Dieser auf den ersten Blick äußerst liberal erscheinende Tipp forderte den Widerspruch einer weiteren Kollegin heraus, die vor allem auf das Alter des Kindes hinwies. Ich schloss mich ihr an.

Höflich, aber ebenfalls widersprechend.

Problembewältigung oder Flucht

Erst einige Zeit später wurde mir klar, was hier eigentlich geraten worden war: nämlich das Kind aufzugeben. Nein, besser ausgedrückt: die eigene Machtlosigkeit vor dem Kind und seinen Eltern einzugestehen.

Nicht, dass man als Lehrerin oder Lehrer nicht an seine Grenzen stoßen könnte, ganz im Gegenteil. Es ist sogar eine wichtige Erfahrung, die man gemacht haben muss, um beruflich wachsen zu können. Erst wenn man weiß, wo die Grenzen liegen, kann man daran arbeiten, sie zu verschieben.

Doch schulterzuckend zu sagen “Gut, es ist deine Entscheidung”, erinnert frappant an Eltern, die ihr Desinteresse am Kind als partnerschaftliche Behandlung (miss-)verstanden wissen möchten. Bei Nichtpädagog*innen kann dieses Verhalten ja noch durch Unwissen erklärt werden, diese sind sich wahrscheinlich tatsächlich der Konsequenzen ihres Tuns nicht in vollem Umfang bewusst, aber welche Ausrede haben wir Profis? Durch unsere Ausbildung wissen wir, dass Wegschauen in der Kindererziehung der falsche Weg ist. Freiheiten lassen, ja, das ist wichtig, natürlich. Doch dort, wo es selbstzerstörerisch wird, dort, wo ein Kind Handlungen setzt, die es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einmal bereuen wird, dort ist es unbedingt notwendig, Orientierungspunkt, Stütze, ja, vielleicht auch Reibebaum zu sein.

Warum verweigert ein elfjähriges Kind das Mittun im Unterricht? Auf keinen Fall, weil es ihm gut geht. Auf keinen Fall, weil es das witzig findet. Auf keinen Fall, weil es so unglaublich träge ist. Hier steckt – und da lehne ich mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich das behaupte – mehr dahinter. Vielleicht sogar so Gravierendes, dass ich als Lehrer auch mit meinem Latein am Ende wäre, durchaus möglich. Aber cool lächelnd die Verantwortung für die Situation auf das Kind zu schieben, geht gar nicht. Niemals. Nicht auf einen Elfjährigen.

Ein Vergleich aus dem Straßenverkehr

Es ist wie bei einem Verkehrsunfall mit Verletzten: Fühle ich mich außerstande, in der Situation korrekt zu agieren (weil mein letzter Erste-Hilfe-Kurs zu lange her ist oder ich generell nicht fähig bin, Stresssituationen zu ertragen), muss ich das in meiner Macht Stehende tun. Und das ist in diesem und in dem weiter oben angesprochenen Fall einfach, Hilfe zu holen. Nicht mehr, nicht weniger.

Noch gibt es sie, die Beratungslehrer*innen, die Psychagog*innen, die Schulpsycholog*innen. Greifen wir auf sie zurück, wenn unsere Ausbildung uns nicht ausreichend erscheint!

Der Gesetzgeber sieht ein Nichtstun beim Verkehrsunfall als unterlassene Hilfeleistung. Ich sehe das auch im schulischen Bereich so.

Der Autor ist Lehrer an einer NMS in Niederösterreich.