Schlagwortarchiv für: Lehrer*innenauswahl

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Die Tage sind noch immer lang und dunkel – Zeit für eine Sage, ein Märchen, eine kleine Gedankenreise in die Bildungslandschaft. Stellen wir uns die Landschaft bildlich vor, so ähnlich wie Mittelerde: Sanfte grüne Hügel, manchmal Häuschen und Häuser, mal Steppe, mal Großstadt. Mittendrin, als Lebensader von allem, ein breiter Fluss. Mal sanft, mal reißend. Mal still und tief, mal breit und fröhlich plätschernd. Er passt sich der Landschaft an und ist daraus nicht wegzudenken. Parallel dazu der reißende AHStrom. Landesweit einheitlich und gut organisiert. Schnell, gerade, einladend. Aber eben nur für manche. Für die „Auserwählten“, die diesmal nicht Teil unseres Abenteuers sind.

In unserem Fluss schnellen Fische fröhlich hervor, und unermüdlich springen die Lachse flussaufwärts, bereit ihre Eier heile anzulegen.

Doch etwas sticht dann und wann heraus. Mal größer, mal kleiner, mal vermehrt, mal vereinzelt. Es sind große, quaderförmige Betonklötze, die diese Einheit stören. Manche sind ein bisschen weniger eckig als andere, haben sich ein bisschen an das Fließen des Wassers angepasst. Einige viele hingegen sehen noch genauso aus, als wären sie gerade eben erst aus der Fabrik gekommen. Der Lehrerfabrik. Damals galt Zucht und Ordnung, Wissen wurde frontal vermittelt, daraus entwickelte sich Bildung und wer sich widersetzte, wurde mit schlechten Noten gestraft.

So oder so ähnlich visualisiere ich die österreichische Mittelschule. Während es hunderte fleißiger, anpassungsfähiger und mutiger Lachse gibt, stechen doch oft diejenigen ins Auge, die sich nicht bewegen. Gestärkt durch das inneliegende Stahlgitter, das sich Gewerkschaft nennt, und das sie diese Form behalten lässt. Nichts gegen Gewerkschaften – sie haben Wunderbares geleistet und ermöglicht auf dieser Welt, haben vielen eine Stimme gegeben und Bedingungen verbessert, sie sind absolut notwendig. Doch sollten sie Gräten sein, flexibel, unterstützend und stabil, nicht stahlhart und unbeugsam. „Das musst Du nicht!“ ist ihr Motto. Und das scheint seit 30 Jahren unverändert.

Die Betonklötze unterrichten oft seit vielen Jahrzehnten. Häufig an der gleichen Schule. Es gibt sogar einen Begriff dafür, den habe ich aber vorsichtshalber vergessen. Und pragmatisiert sind sie, was jedoch nichts Pragmatisches an sich hat. Es bedeutet einfach nur, dass sie ungehindert im Auftrag des Staates wirken dürfen. Finanziert von den Steuergeldern aller. Die Overheadfolien, die sie aus ihren verstaubten Aktentaschen klauben, haben 1985 auch nicht anders ausgesehen und der Overheadprojektor ist der letzte lebende Dinosaurier im Klassenzimmer. Während die Schüler*innen flink mit ihren Smartphones drumherumwieseln, wirkt der OHP wie ein Relikt aus Zeiten, in welchen Projektion und vergrößerte Zweidimensionalität noch Staunen hervorriefen. Die VHS Kassetten, die seit Jahrzehnten dasselbe Unterrichtsthema abhandeln, quietschen und ruckeln, und die Kinder juchzen ob der unerwarteten Special-Effects – bevor sie höflich vorschlagen, doch lieber die aktuelle Version auf Netflix zu streamen.

Doch der Betonklotz weiß nichts von Streamen, strömt doch auch der Fluß seit Jahren unbemerkt an ihnen vorüber, ohne dass sie eine Bewegung wahrnehmen.

Die flinken Lachse werden, wenn wahrgenommen, oft sanft belächelt, und leise murmelt es unter Wasser: Du wirst auch noch zur Ruhe kommen, wirst auch noch aufhören Dich abzumühen – Du musst das nicht! Wir alle müssen uns nicht anstrengend. Wir sind sicher und gut geschützt und was damals funktionierte, kann heute nicht schlecht sein.

Dass sich die Welt in den letzten Jahren gesellschaftlich und technisch um Lichtjahre verändert hat, kann man in dieser Haltung getrost ignorieren.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Es gibt wunderbare alte Lachse, die mit viel Kraft und Lebenserfahrung uns allen ein Vorbild sein können und sind, die unermüdlich seit ebensolanger Zeit fantastische Arbeit leisten und sich auch nach dreißig Jahren noch hochmotiviert und emphatisch um jeden und jede einzelne ihrer Schüler*innen kümmern. Sie sind Lachse geblieben und haben sich nie in Betonklötze verwandelt. Und dann gibt es die kleinen und jungen Lachse, die beim stromaufwärts fliegen verwundert auf die Betonklötze stoßen und sich denken – „Hä, warum strenge ich mich so an? So scheint es ja auch zu gehen. Gmiatlich, hoit!“ Und sie werden langsamer und grauer, statischer und stiller und treten früh ihre Verwandlung an. Deswegen ist es nicht genug zu warten, bis der Kran der Pensionierung die Betonklötze an ihren Stahlhaken aus dem Fluss befördert. Deswegen müssen wir wieder mehr Lachse züchten, die voller Stolz, Mut und Eifer ihre mühsame Aufgabe auf sich nehmen und sich nicht entmutigen lassen, wenn sie mal wieder beim Schwimmen der Extrameile mit dem Lachsmaul gegen einen Klotz gestoßen sind.

Lachse, die sich den Gegebenheiten anpassen und nicht ignorieren, dass die Welt um sie nicht stehen geblieben ist, Lachse, die sich fort- und weiterbilden und das lebenslang. Lachse, die manchmal staunend den Kopf aus dem Wasser heben und sich darüber freuen, dass sie hier sein dürfen. Teil des großen Ganzen sein dürfen und ihren Teil dazu beitragen.

Panta Rhei.

Nur eben Betonklötze nicht.

Die Autorin ist Lehrerin an einer Mittelschule in Wien.

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Was NMS Schüler*innen brauchen

Und? Was arbeitest du?“ „Ich bin Lehrerin.“ „Ah ja, Volksschule?“ „Nein!“ „AHS?“ „Nein, NMS!“ „Na, servas! Aber wärst du nicht in einer AHS deutlich besser aufgehoben? Also, du mit deinen Ideen und  deinem Engagement? Das ist doch wie Perlen vor die Säue werfen.

Dialoge dieser Art erlebe ich immer wieder. Nicht unbedingt im gleichen Wortlaut, aber die Kernaussage bleibt die gleiche. Je ausgewählter die Schüler*innen, desto besser müsse das Lehrpersonal sein, ist allem Anschein nach eine Meinung oder eine Haltung, die starken Anklang findet.  Die logische Schlussfolgerung daraus ist, dass es in der NMS reicht, wenn die Schüler*innen Mathematik und Deutsch lernen, alles andere wäre doch ohnehin überbewertet. Sie werden das doch später nie brauchen. Und die nächste Konsequenz daraus ist,  dass man dazu ja keine hochqualifizierten Lehrkräfte benötigen würde. Denn das bisschen Deutsch und Mathematik müsste doch jeder beherrschen, der selbst die Schule durchlaufen hat.

Was AHS-Schüler*innen brauchen

Bei den Schüler*innen der AHS verhält sich das natürlich anders. Diese brauchen jene Lehrkräfte, die perfekte Studienabschlüsse vorweisen können, höchste Qualifikationen sind gefragt. Schließlich unterrichten sie jene Schüler*innen, die einmal zur Bildungselite des Landes gehören sollen. Schließlich erwarten sich auch die Eltern, Schulbesuch sei Dank, dass aus ihren Kindern etwas ganz besonders wird. Und wem das zu viel ist, soll doch bitte dorthin gehen, wo eben das Niveau dementsprechend niedriger ist.

Was alle Schüler*innen brauchen

Prinzipiell hat jeder Schüler und jede Schülerin das Anrecht auf die bestmögliche Bildung. Diese sollte im Idealfall nur von jenen Menschen vermittelt werden, die bereit sind, viel in ihre Aus- und Fortbildung zu investieren. Lehrer*innen, die nicht auf der Stelle stehen und bereit sind ihr Berufsleben lang dazuzulernen. Jedes Kind und jede*r Jugendliche hat sich die besten und qualifiziertesten Lehrer*innen verdient. Da lässt sich kein Unterschied bezüglich irgendwelcher Schultypen festmachen. Ganz im Stillen denke ich mir, dass gerade diejenigen, die ganz wenig Unterstützung haben, ganz besonders gute Lehrer*innen brauchen.

Was NMS-Schüler*innen brauchen

Viele Schüler*innen anderer Schultypen haben das Glück, dass ihre Eltern sie unterstützen können. Sei es bei den Hausübungen oder  in vielen anderen Bereichen. Es ist nun mal bewiesen, dass der Bildungsstand vererbt wird. In diesen Elternhäusern ist es selbstverständlich, ein Theater oder eine Ausstellung zu besuchen oder ein breitgefächertes Freizeitangebot zu ermöglichen.

Bei unseren Schüler*innen sieht es anders aus. Nicht weil die Eltern kein Interesse an ihren Kindern haben, sondern weil sie die Unterstützung nicht bringen können. Also ist es an uns den Kindern und Jugendlichen all das zu bieten und zu vermitteln. Das sind wir unseren Schüler*innen in Hinblick auf deren Zukunft einfach schuldig.

Gerade jene Schüler*innen, die aufgrund ihres soziokulturellen Hintergrunds benachteiligt sind, sollten doch Anspruch auf die besten Schulen und die besten Lehrer*nnen haben.

Die Autorin ist Lehrerin an einer Mittelschule in Wien.

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Die aktuellsten PISA-Ergebnisse sorgen mal wieder für Verwunderung, Empörung und zu Recht auch für jede Menge Diskussionsstoff. Wie kann es sein, dass eines der teuersten Bildungssysteme der Welt bestenfalls durchschnittliche Ergebnisse erzielt? Wo muss angesetzt werden, um den Bildungserfolg aller Kinder in Österreich nachhaltig sicherzustellen? Wir hätten da ein paar Vorschläge:

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In einer Wiener HTL kommt es zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen einem Lehrer und einem Schüler. Der Lehrer spuckt den Schüler an, Mitschüler*innen filmen die Szene und stellen sie ins Internet. Die Aufregung um diesen Zwischenfall ist groß, und das zurecht. Nun stehen die Konsequenzen für alle Beteiligten im Zentrum der Debatte. Entlassung, Suspendierung und Erziehungscamps werden von einzelnen Parteien gefordert.

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Der Fall einer Wiener Mathematiklehrerin, die Schüler*innen systematisch erniedrigt, beleidigt und psychisch unter Druck gesetzt haben soll, schlägt seit einigen Tagen große Wellen. Das hätte er schon vor mindestens sechs Jahren tun sollen, denn die Vorwürfe reichen zumindest bis ins Jahr 2013 zurück. Sogar davor gab es schon Beschwerden und Versuche, etwas gegen das Verhalten der Lehrerin zu unternehmen.

Der Fall sollte zum Anlass genommen werden, ernsthaft über einige Grundsätze des Lehrer*innendaseins zu diskutieren:

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